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Anna Bruendl
Foto: Björn Stork

„Eine neue Form von Stadtgesellschaft“

10. Dezember 2020

Anna Bründl über die Theaterallianz vier.ruhr – Interview 12/20

trailer: Frau Bründl, Sie sind die Projektkoordinatorin von vier.ruhr. Was verbirgt sich hinter diesem Begriff?

Anna Bründl: vier.ruhr ist die neue Theaterallianz in Mülheim an der Ruhr und wurde gemeinsam vom Theater an der Ruhr, den Mülheimer Theatertagen „Stücke“ und dem Ringlokschuppen Ruhr gegründet, um zwischen den Institutionen, aber auch zwischen den mit ihnen zusammenarbeitenden Künstler: innen einen verstärkten Austausch zu schaffen.

Das sind drei Akteure. Wofür steht die Zahl Vier im Namen?

Wenn Sie unser Logo betrachten, dann sehen Sie drei Säulen mit einer Querstrebe. Das heißt, das vierte Element ist die Verbindung unter den drei Häusern und die Verbindung in die Stadt und ins Ruhrgebiet.

Von den drei genannten Partnern ist der Ringlokschuppen der jüngste, existiert nun aber auch schon über 25 Jahre als Kulturträger. Wieso kommt es gerade jetzt zur Zusammenarbeit?

Das liegt zum einen an den gegenwärtigen künstlerischen Leitern:innen der drei Einrichtungen, die den Austausch aktiv suchen. Zum anderen an der aktuellen Situation, in der Kunst und Kultur – vorsichtig ausgedrückt – sich stärker verteidigen müssen. Da ist es sinnvoll sich zusammenzutun und so für mehr Sichtbarkeit zu sorgen. Hinzu kommt, dass das Land NRW mit seinem Förderprogramm „Neue Wege“ diese Allianz überhaupt erst möglich macht. Man hat sich dort für eine finanzielle Förderung entschieden, weil die Vielfältigkeit der Theaterszene in Mülheim für eine mittelgroße Stadt etwas Besonderes ist und man den Austausch eines international vernetzten Ensembletheaters mit dem renommiertesten Festival für zeitgenössische Dramatik und einem mit freischaffenden Künstler:innen arbeitenden Koproduktionshaus unterstützen möchte.

Drei unterschiedliche Auffassungen von Theater“

Die Förderung begann mit der Spielzeit 2019/20?

Richtig. Die erste Tranche, die rund eine Million Euro ausmacht, geht über zwei Spielzeiten, also bis zum Sommer 2021. Wir sind dabei einen Verlängerungsantrag zu stellen, weil wir der Auffassung sind, dass die drei Partner sich jetzt richtig kennengelernt haben. Wir haben es mit drei unterschiedlichen Identitäten, drei unterschiedlichen Auffassungen von Theater zu tun. Da ist so eine Kooperation eine Herausforderung. Ich finde, dass das konstruktiv und sehr befruchtend ist und alle drei Institutionen mit Freude und heißen Diskussionen die Herausforderung annehmen. Um es bildlich auszudrücken: Die Segel wurden gesetzt und nun wollen wir richtig lossegeln.


Kunst- und Projektraum vier.zentrale im Mülheimer Zentrum
Foto: Stephan Glaga

Was ist aus der gemeinsamen Arbeit bisher entstanden?

Im September haben wir die vier.zentrale, einen Projektraum in der Mülheimer City, eröffnet. Dieser Raum steht exemplarisch für unser Motto: Theater – Stadt – Gesellschaft. Dort begegnen sich die künstlerischen Aktivitäten der Theater mit der Stadt und der Zivilgesellschaft. Wir bringen uns dort sowohl mit künstlerischen Formaten wie Installationen als auch mit diskursiven Veranstaltungen wie Gesprächen in die Stadt ein. Wir stellen uns das vor wie einen Dorfplatz, an dem Leute mit ganz unterschiedlichen Positionen zusammenkommen können. Vielleicht finden wir auf diesem Weg eine neue Form von Stadtgesellschaft. Mit der vier.zentrale, die wie ein Ladencafé funktioniert, hoffen wir die Hürden in der Bevölkerung abzubauen, die bisher die Auseinandersetzung mit Kunst verhindert haben. Dafür ist dieser Raum mit seinen einladenden Fensterfronten, der von überall her eingesehen werden kann, wie geschaffen. Leider ist bei unseren Projekten Corona dazwischen gekommen, weshalb wir im digitalen Raum „Das Dekameron“, bei dem Künstler:innen aus allen Häusern mitgewirkt haben, gestartet haben. Das ist eine Lockdown-Serie aus den verschiedenen Quarantänen, von Mülheim über Köln und Paris bis nach Yaoundé in Kamerun. Erfreulicherweise ist dadurch eine Zusammenarbeit zwischen dem Collective Ma‘louba, einer am Theater an der Ruhr angesiedelten syrischen Theatergruppe, und dem häufig mit dem Ringlokschuppen koproduzierenden Kainkollektiv entstanden. Als dritte Gruppe ist das Boat People Projekt aus Göttingen noch dabei. Gemeinsam bringen sie am 18. Dezember ein neues Stück mit dem Titel „Overdose“ auf die Bühne [s. u. für aktuelle Termine; d. Red.]. Wir gucken mal, ob das bei den Corona-Maßnahmen vor Publikum im Ringlokschuppen stattfinden kann. Ansonsten wird es ein Film werden. Fest steht nur, dass es die Premiere auf jeden Fall geben wird.

Eine Lockdown-Serie aus den verschiedenen Quarantänen, von Mülheim über Köln und Paris bis nach Yaoundé in Kamerun.“

Das Stück wird eine Installation sein?

Ja, Zuschauer:innen werden sich interaktiv durch das Bühnenbild bewegen und dabei den verschiedenen Schauspieler:innen mit ihren Geschichten begegnen. Overdose basiert auf einem in diesem Jahr uraufgeführten Hörspiel von Mudar Alhaggi und Wael Kadour. Es handelt von einem nach Deutschland geflüchteten Syrer, der Hilfe von einem Ehepaar erhält. Dabei freundet sich die Ehefrau Mira immer mehr mit Taha, dem Flüchtling, an und sie erkennen in ihren unterschiedlichen Lebensläufen Parallelen.

Wird es in Zukunft eine gemeinsame Bühnenarbeit des Theaters an der Ruhr mit dem Ringlokschuppen geben?

Es gibt erste Gespräche zwischen einer mit dem Ringlokschuppen verbundenen freien Theatergruppe und dem Schauspielensemble des Theaters an der Ruhr. Leider kann ich dazu noch nicht mehr verraten.

Overdose – The Show of Pain and Joy | Live-Stream: 15.(P), 16.1. jeweils 20 Uhr | Ringlokschuppen Ruhr, Mülheim | tickets@ringlokschuppen.de

INTERVIEW: GEORGIOS PSAROULAKIS

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