Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
23 24 25 26 27 28 29
30 1 2 3 4 5 6

12.606 Beiträge zu
3.829 Filmen im Forum

Benjamin Reissenberger
Foto: Stadt Neuss

„Eine Welt, die aus den Fugen ist“

26. Juni 2025

Kulturamtsleiter Benjamin Reissenberger über das Festival Shakespeare Inside Out in Neuss – Premiere 07/25

Wegen Bauarbeiten für die Landesgartenschau findet die diesjährige Ausgabe des Shakespeare-Festivals nicht im Globe-Theater statt, sondern an diversen Orten in der Stadt.

trailer: Herr Reissenberger, eigentlich verknüpfen die Shakespeare-Freunde in NRW das Festival mit dem Globe in Neuss. Das bleibt dieses Jahr leer – was ist los in der Stadt?

Benjamin Reissenberger: 2026 gibt es eine Landesgartenschau in Neuss. Das ist ein etwas größeres Unterfangen, wie Sie sich sicher vorstellen können. Auf dem Gelände der ehemaligen Rennbahn direkt neben dem Globe wird der Park für die Landesgartenschau komplett neu angelegt. Das bedeutet, dort ist in diesem Jahr eine große Baustelle, und das Globe ist bis zur Eröffnung der Landesgartenschau nicht wirklich zu erreichen. Wir können weder Publikum noch Künstler:innen dort reinlassen und entsprechend da nicht spielen. 

Aber das Shakespeare Festival findet ja trotzdem statt. Welche Ausweichspielstätten gibt es in der Stadt?

Es wäre ein ziemlich simpler Gedanke gewesen, einfach nur zu prüfen, wo wir denn Theaterbühnen haben, und hätten dann das Rheinisches Landestheater oder das Theater im Schlachthof gefunden. Dann wäre aber der Witz weg gewesen, denn die Idee des Shakespeare Festival fußt ja auf dem Vorhandensein eines eigenen Globe Theaters. Das haben wir also ausgeschlossen. Aber es war nicht nur den Macher:innen des Festivals und der Verwaltungsspitze, sondern auch der Bevölkerung in Neuss wichtig, dass Shakespeare auch 2025 in Neuss stattfindet. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie viele Fragen wir dazu bekommen haben. Die Grundidee war dann, dass wir in die Stadt gehen. Denn wenn die Leute aus der Stadt nicht zum Globe kommen können, dann muss eben Shakespeare zu den Leuten in die Stadt kommen und dort wirken. Daraufhin haben sich umgehend verschiedene Leute gemeldet, die uns Spielorte angeboten haben. Einzelne Ideen hatten wir selbst, der Botanische Garten stand sehr schnell fest, denn der schreit quasi danach, dort einen „Sommernachtstraum“ stattfinden zu lassen. Die Familie Linder hat uns ihren privaten Garten angeboten, den wir jetzt auch bespielen werden. Es wird die Pegelbar im Neusser Hafen geben, wo man auch einen Blick quer über große Teile der Stadt hat. Wir sind in der Kneipe Hamtorkrug und das Rheinische Landestheater unterstützt uns bei der Abschlussparty. Aber es gibt noch weitere Spielorte in der Stadt. Dreh- und Angelpunkt für das ganze Festival wird der Marktplatz in Neuss. Da werden wir unter der Woche verschiedene kostenfreie Angebote haben und eben auch allen die Möglichkeit bieten, sich mit den Macher:innen und mit Shakespeare auseinander zu setzen. 

Das Festival beginnt mit dem „Sommernachtsraum“ im Botanischen Garten. Laufen die Zuschauer herum oder gibt es eine Tribüne?

Es gibt eine Bühne und Bestuhlung. Ohne wäre es nicht machbar gewesen, dazu ist die Logistik zu aufwendig. Denn wir müssen das beispielsweise mit Licht abfangen, wenn sich das Tageslicht verändert, dann müssen natürlich auch Sicherheitsvorkehrungen eingehalten werden. Daher bleiben wir an einem Ort im Botanischen Garten, und der ist wirklich sehr malerisch, sehr besonders. 

Hat die Verlegung in die Stadt Auswirkung auf die Auswahl der Stücke und der Ensembles gehabt?

Ja, klar. Zum einen haben wir mit Ensembles gesprochen, die wir sehr gerne dabeihaben wollten, und haben denen unsere Idee geschildert. Dann kommen die üblichen Fragen, könnt ihr an dem Termin oder an einem anderen, welches Repertoire ist denkbar und so weiter. Was am Ende rausgekommen ist, ist also auch ein Blumenstrauß an Möglichkeiten, von Wünschen und von Erwartungen. Aber alle haben es uns sehr leicht gemacht, das muss man sagen. Teilweise haben sie ganze Wochen geblockt, damit sie bei uns wieder in Neuss spielen können, obwohl sie wissen, dass es dieses Mal nicht vor 500 Leuten im Globe sein wird, sondern in einem kleineren Kreis. Da war eine enorm große Begeisterung auch für so ein alternatives Konzept. Wir hoffen, für die Zukunft ein paar Ideen retten und mitnehmen zu können. Weil es natürlich auch eine zeitgemäße Auseinandersetzung mit einer Stadtgesellschaft und Shakespeare und seinen Themen ist. 

Das Stück „Was ihr wollt“ soll ein Theaterabend in entspannter Atmosphäre zwischen Kletterwand, Kicker und Lounge werden. Was soll man sich darunter vorstellen?

Genau das. Das Stück findet in einem Jugendzentrum statt, dem Greyhound Pier 1. Die Fläche, an der die Bühne abgesteckt wird, ist eben genau zwischen Kicker und Kletterwand. Das Ziel ist tatsächlich, dass wir auch junge Menschen damit erreichen wollen. Es ist aber auch eine Produktion vom Comedia Theater aus Köln, die genau dahin passt. Die haben den Kölner Theaterpreis bekommen, und es ist ein Stück, das sich explizit an junge Menschen ab 14 Jahren richtet. Dafür haben wir terminlich viel gebastelt und es hat, Gott sei Dank, geklappt. Das Comedia Theater in Köln macht eine exzellente Arbeit – nicht nur, was die Jugendarbeit angeht, die sind unglaublich umtriebig.

Jugendliche kommen nicht zu kurz beim Festival. Hamlet spielt mit drei Clowns im Gymnasium. Ist da nicht eher Shakespeares Welt aus den Fugen?

Na ja, Shakespeare beschreibt ja eine Welt, die aus den Fugen ist. Wir versuchen die Möglichkeiten zu ergreifen, die wir jetzt haben und gleichzeitig auch eine Erwartung zu bedienen dessen, was wir sonst immer machen. Wir müssen uns weiterbewegen, wir müssen insbesondere junge Menschen erreichen, auch wenn „Hamlet“ von der Compania Sincara kein explizites Jugendstück ist. Wir wollen eben Menschen an Orte holen, die keine Theaterräume sind. Dass „Hamlet“ in der Schule stattfindet, hat also nicht in erster Linie damit zu tun, dass es ein Jugendstück ist, sondern weil die Schule dort ein Pädagogisches Zentrum hat, das architektonisch toll gelungen und eben keine normale Schulaula ist. Das Zentrum hat eine hohe Aufenthaltsqualität. Die Compania Sincara war mit ihren Clowns ja schon letztes Jahr beim Shakespeare Festival. Das ist eine ganz besondere Arbeit, ich kann das kaum beschreiben, man hat die am Ende so lieb, diese Clowns, weil sie so speziell sind. Das ist kein 100-Prozent-Hamlet, aber es hat eine Metaebene, es geht unter die Haut, es berührt Themen, die Shakespeare in seinem Hamlet aufmacht. 

Wie wichtig ist das Drumherum bei „Shakespeare Inside Out“? Auch für die Aufmerksamkeit der Besuchenden?

Sehr wichtig selbstverständlich. Uns ist immer daran gelegen, zu versuchen in jederlei Hinsicht möglichst viel sichtbar zu machen. Wir wollen den Menschen auch eine tolle Atmosphäre bieten, damit sie sich wohlfühlen. Das hat in diesem Jahr besonders damit zu tun, dass wir unserem Publikum wirklich was ‚zumuten‘ – bisher gab es immer das Globe und draußen die Sitzbänke, die beliebten Picknickkörbe. Das können wir ihnen dieses Jahr alles nicht bieten, deshalb versuchen wir wirklich alles, um einen spielerischen, einen fröhlichen Umgang mit Shakespeare und unserer diesjährigen Alternative zu präsentieren. 

Nächstes Jahr ist alles beim Alten – oder bleibt ein Ausflug in die Stadt?

2026 haben wir dann den extra großen Garten neben dem Globe angelegt. Da muss man natürlich zahlen, wenn man zusätzlich in den Park reinmöchte, zumindest solange die Landesgartenschau stattfindet. Aber wir werden in Kooperation mit der Landesgartenschau die Möglichkeit anbieten, dass man beides genießen kann. Das Shakespeare Festival ist bereits terminiert. 

Shakespeare Inside Out | 4. - 11.7. | div. Orte in Neuss | 02131 52 69 99 99

Interview: Peter Ortmann

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

F1 – Der Film

Lesen Sie dazu auch:

Im Kreise eines Theatergotts
Neuss: Shakespeare Festival im Globe – Prolog 05/23

Ganz ohne Hamlet
29. Shakespeare Festival in Neuss – das Besondere 05/19

Ein Geist namens Diana
Das 28. Shakespeare Festival in Neuss – das Besondere 05/18

Hamlet, wer war nochmal Hamlet?
Das 26. Shakespeare Festival in Neuss – das Besondere 05/16

Die ganze Welt ist Festival
Das Shakespeare Festival in Neuss mit internationalen Gästen – Theater 06/15

Die ganze Welt ist Globe
Internationalität ist das Motto des Shakespeare Festivals - Theater in NRW 07/08

Premiere.

HINWEIS