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Sabine Reich
Foto: Martin Steffen

„Wir brauchen sichere, offene Orte“

31. Juli 2025

Ab der Spielzeit 2025/26 leitet Dramaturgin Sabine Reich das Prinz Regent Theater in Bochum – Premiere 08/25

trailer: Frau Reich, was soll radikal anders werden im Bochumer Prinz Regent Theater?

Sabine Reich: Gar nicht so anders,eher radikal wie:„back to the roots“ (übers.: zurück zu den Wurzeln, d. Red.). Das Prinz Regent Theater wurde von Kollektiven der freien Szene vor vielen Jahren gegründet. Heute wie damals hat Bochum eine starke freie Szene, viele Künstler:innen und Kollektive arbeiten und studieren hier. An der Ruhr Universität gehen von der Szenischen Forschung wichtige Impulse aus, dazu kommen die Künstler:innen der Folkwang Universität. Wir haben also viel künstlerischen Nachwuchs, und dem möchte ich ein Raum geben und eine Bühne, aber nicht nur eine Bühne, sondern auch einen Ort, wo wir uns gemeinsam austauschen und entwickeln können. Wir fragen uns, was gerade wichtig ist, was können wir Künstler:innen und Theatermacher:innen dem Publikum und der Stadtgesellschaft bieten? Was brauchen die Menschen? Vielleicht brauchen Menschen nicht nur toll erzählte Geschichten, das kann Netflix besser. Wir brauchen sichere, offene Orte, wo wir zusammen sein können, uns begegnen, in einer Welt, die nicht mehr sicher ist. Genau das wünsche ich mir für das PRT: „Die Kunst des Gemeinsamen“ ist zukünftig unsere wichtigste Kraft.

Fotzenschleimpower gegen Raubtierkaputtalismus“ stellt den Monolog eines Aliens dar – keine Angst vor dem Förderverein des Prinz Regent Theaters?

Nein, überhaupt nicht. Ich stehe mit dem Verein in einem guten Austausch und fühle mich in meinen Plänen sehr unterstützt. Der Monolog von Mateja Meded erzählt von ihrer eigenen Geschichte, von Flucht und dem Gefühl, fremd zu sein, wie ein Alien zu sein. Aber auch vom Überleben im Patriachat. Das ist eine klare, berührende Geschichte und vor allem eine wichtige Geschichte. Ich freue mich sehr, dass Mateja damit nach Bochum kommt.

Los geht’s mit Straßentheater aus Schwerte.

Nein. (lacht) Deana und Holger Ehrich sind wunderbare Künstler:innen, die ich schon lange kenne, und ich habe sie eingeladen, weil beide, Holger durch seine Tätigkeit in Schwerte, große Expertise erworben haben über den zeitgenössischen Zirkus und das Straßentheater. Dabei ist mir besonders wichtig, den Neuen Zirkus, das Straßentheater und alle Formen von Artistik und Kunst, die jenseits des bürgerlichen Sprechtheaters passieren, genauso ernst zu nehmen wie alle anderen Formen der darstellenden Künste. Wir möchten die Hierarchie überwinden, die behauptet, das eine sei Hochkultur und das andere nicht. Momentan bewegen sich die Künste aufeinander zu und inspirieren sich. Für diesen Austausch zwischen Performing Arts, Tanz, Literatur, Musik ist das Prinz Regent der richtige Ort.

Ist der lokale Bezug für freie Theater besonders wichtig?

Der lokale Bezug ist für jedes Theater, an dem ich gearbeitet habe, immer wichtig gewesen, und das gilt auch für das Prinz Regent, auch wenn wir über Bochum hinaus schauen und uns bundesweit und international vernetzen wollen. Aber in der ersten Spielzeit starten wir mit einem engen Bezug zur Stadt.

Zeitverschiebung“ ist ein Stück der Bochumer Bürger*innenBühne. Kommt jetzt die Revolution der Laien?

Nein. Erfolgreiche Bürger:innen-Bühnen gibt es ja schon länger, die erfinden wir ja nicht neu. Aber ich glaube, es ist gut, wenn sich das Prinz Regent Theater auch auf dieser Ebene mit der Stadt verbindet. Wir erzählen Stadt- und Lebensgeschichten, um viele verschiedene, diverse Biografien, Perspektiven und Generationen zusammenbringen.

Was macht ausgerechnet die Bochumer „Alleestraße“ so außergewöhnlich? Da finden doch auch keine Modenschauen statt.

Nee, wahrscheinlich nicht. Das ist eher ein Augenzwinkern zur „Lindenstraße“, die auch mal wichtig war für das Prinz Regent Theater. Aber es ist einfach eine wirklich spannende Straße in Bochum, ein Ort, wo sich das alte und neue Ruhrgebiet miteinander verbinden. Es soll keine Ruhrgebiets-Nostalgie werden, sondern von der Vielfalt und Dynamik der Stadt erzählen.

Das wichtigste Stück in diesem Jahr dürfte deshalb „Karims Koffer“ von und mit Mohammad Karim Asir werden?

Auf dieses Stück freue ich mich ganz besonders. Mohammad Karim Asir hat mir in wenigen Sätzen erzählt, was er gerne auf die Bühne bringen möchte und mich damit sofort überzeugt. Annette Dabs hat ihn ja schon mehrfach bei der „Fidena“ mit seiner Performance als afghanischer Charlie Chaplin eingeladen, aber mit seinem Stück will er neue Seiten von sich zeigen und von seiner Flucht aus Afghanistan erzählen – und von dem, was er hinter sich gelassen hat.

Für den angekündigten Garten dürfte es im Herbst aber zu spät sein?

Wir starten auf jeden Fall und werden, gefördert mit den Mitteln des Bochum Fonds, den Außenbereich und auch das Foyer des Prinz Regent neu gestalten. Von der Stadt haben wir einHochbeet erhalten. Wir wünschen uns dort einen Garten, ein Café, eine Bar … mal sehen, wir weit wir jetzt im September kommen. Das ist auf jeden Fall ein „ongoing project“ (übers.: laufendes Projekt, d. Red.) und wird sich weiterentwickeln. Der Garten muss halt wachsen, wie das ganze Theater wachsen muss.

Spielzeit 2025/26 | ab 18.9. | Prinz Regent Theater, Bochum | 0234 77 11 17

Interview: Peter Ortmann

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