Theater als Laboratorium, Theater als Hackerzentrale. Viele Wege führen vielleicht in eine eher nebulöse theatralische Zukunft. Aber die Zukunft der Impulse jedenfalls ist gesichert. Ab sofort findet das Festival wieder jährlich statt. Aber erst einmal ist im Juni das „Impulse Theater Festival 2015“ der Ort für herausragendes Freies Theater aus dem deutschsprachigen Raum, zentraler Spielort ist Mülheim an der Ruhr. Unter dem Motto „Gesellschaftsspiele“ zeigen sich Künstler ohne Bühne, wollen in drei Städten ein politisches und soziales Labor der Gegenwärtigkeit kreieren, in dem die performativen Künste ihr provokantes Potential entfalten können. Der Künstlerische Leiter Florian Malzacher: „Impulse 2015 untersucht, wie sich Gesellschaft selbst spielt, für wen sie spielt und: wen sie mitspielen lässt“.
Die Eröffnungsproduktion des Festivals ist folgerichtig „Western Society“ von Gob Squads. Sie zeigen eine Gesellschaft, die es so eigentlich schon nicht mehr gibt, nicht mehr geben darf. Andere fragen sich lieber, warum europäische Jugendliche als Krieger in den Djihad ziehen, in „Sounds Like War: Kriegserklärung“, suchen andcompany&Co. in diesem Kontext danach, was Sprache überhaupt noch kann und wie man Kriege beendet, die nie erklärt wurden. Patin für diese Überlegungen in einem agonistischen Raum ist die Politikwissenschaftlerin Chantal Mouffe, die bereits die Vorbereitungen als eine Art Festivalphilosophin begleitete. Was dabei an Utopien herauskommt, wird man abwarten müssen, vieles spielt sich digital im Netz ab, einer Realität, die eigentlich nur virtuell und mit Strom existiert. Dennoch verwandeln Chris Kondek & Christiane Kühl, unterstützt von IT-Profis, in „Anonymous P.“ das Festival in eine interaktive Hackerzentrale. Ganz anders Rabih Mroué in „Riding on a Cloud“. Er lässt seinen Bruder auftreten, für den Repräsentation nach einer schweren Verwundung im libanesischen Bürgerkrieg tatsächlich keine Bedeutung mehr hatte: Er verlor die Fähigkeit, die Realität in Worten und auf Bildern wiederzuerkennen.
Dank einer Bundesförderung sind in diesem Jahr in der Studiobühne Köln, im FFT Düsseldorf und im Ringlokschuppen Mülheim/Ruhr auch drei Projekte nicht-deutschsprachiger Künstler zu sehen. Sie begreifen die Theater als Ort des gesellschaftlichen Ausprobierens in lokalen Kontexten. Die niederländische Theatermacherin Lotte van den Berg untersucht mit „Building Conversation“ in Düsseldorf Formen und Bedingungen des Gesprächs; „Our Position Vanishes“ des britischen Künstlers Phil Collins erprobt mit Studierenden aus Köln und Ramallah kollektive Erfahrungsräume für Zuschauer, Performer, Musiker und Theoretiker zwischen den Städten. Aktuell und immer noch nicht abschließend geklärt ist die Flüchtlingsfrage. Im Ringlokschuppen existiert während der Impulse 2015 die vom kurdischen Künstler Ahmet Öğüt initiierte Silent University Ruhr. Das isteine autonome Plattform für den Wissensaustausch zwischen Geflüchteten, Asylsuchenden, Migranten und Nicht-Migranten. Für die Menschen führen die Wege immer in einenebulöse Zukunft, und die liegt häufig nicht im Theater.
Impulse Theater Festival 2015 | 11.-20.6. | Mülheim, Düsseldorf, Köln | www.festivalimpulse.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
What is it good for…?
Impulse 2016: Ziemlich nah am kriegerischen Zeitgeist – Prolog 06/16
Knisternde Luft
Theater Hagen unter neuem Spardruck – Theater in NRW 12/15
Von der Straße ins Theater
„Multiversum“ am Theater Oberhausen – Prolog 04/24
Tödlicher Sturm im Wurmloch
„Adas Raum“ am Theater Dortmund – Prolog 04/24
Mackie im Rap-Gewand
„MC Messer“ am Theater Oberhausen – Tanz an der Ruhr 04/24
Die ultimative Rache vor weißer Schleife
„Die Fledermaus“ mit Schauspielstudierenden an den Kammerspielen Bochum – Auftritt 04/24
„Ich mache keine Witze über die Ampel“
Kabarettist Jürgen Becker über sein Programm „Deine Disco – Geschichte in Scheiben“ – Interview 04/24
„Zu uns gehört das Lernen von den Alten“
Intendant Olaf Kröck über die Ruhrfestspiele 2024 – Premiere 04/24
Verloren im Nebel
Das Duo Paula Rot im Foyer des Theaters Duisburg – Bühne 03/24
Glücklich bis ans Ende?
„Star-Crossed Lovers“ in Essen – Prolog 03/24
Ein Baum im Herzen
„Eschenliebe“ am Schauspielhaus Bochum – Prolog 03/24
Liebe und Gewalt
„Told by my Mother“ in Mülheimer a.d. Ruhr – Tanz an der Ruhr 03/24
Über die Familie
45. Duisburger Akzente – Festival 03/24
Sternfahrt zum Shoppen
„Einkaufsstadt, 4300“ von Trio ACE in Essen – Prolog 03/24
„Im Gefängnis sind alle gleich“
Regisseurin Katharina Birch über „Die Fledermaus“ an den Bochumer Kammerspielen – Premiere 03/24
Bakterien im Spa
„Ein Volksfeind“ am Theater Dortmund – Prolog 02/24
Vom Elvis zum Cowgirl
„The Legend of Georgia McBride“ am Theater Oberhausen – Prolog 02/24
„Es kommt zu Mutationen zwischen den Figuren“
Intendant Ulrich Greb inszeniert „Der Diener zweier Herren“ am Schlosstheater Moers – Premiere 02/24
Postapokalyptische Manege
„Essence“ von Urbanatix am Schauspielhaus Bochum – Bühne 02/24
Die Erbsen sind immer und überall
„Woyzeck“ am Düsseldorfer Schauspielhaus – Prolog 02/24
Fortschritt ohne Imperialismus
„Libya“ auf PACT Zollverein – Tanz an der Ruhr 02/24
Poesie ums eigene Ich
Next Level Slam in Bochum – Bühne 01/24
Hochzeiten und Hüte
„Hello, Dolly“ am MiR in Gelsenkirchen – Tanz an der Ruhr 01/24
„Ich finde unbekannte Werke spannend und befreiend“
Regisseurin Tatjana Gürbaca über „Fausto“ am Aalto-Theater Essen – Interview 01/24
Brautkleid aus reinster Haut
„Subcutis“ in Mülheim a. d. Ruhr und Köln – Theater Ruhr 01/24