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Selen Kara
Foto: Hakki Topcu

Das selbsternannte Volk

20. Oktober 2025

„Die Nashörner“ am Düsseldorfer Schauspielhaus – Prolog 10/25

Endlich Urlaub. Warmer Wind. Die untergehende Sonne. Sie sitzen im Straßencafé und schlürfen ahnungslos ihren Latte Macchiato – sagen wir in Dresden. Plötzlich Getrappel, Stiefelschlagen, wüste Rufe. Das selbst ernannte Volk tritt auf. Gegen alles. Von der Impfung bis zum Schulunterricht. Und laut sind sie, viele sind sie. Das schüchtert nicht nur ein – es fasziniert auch viele, die immer ängstlich im Schatten bleiben, die nicht gesehen werden, die Angst um alles haben, um Platz, Besitzstand und Zukunft. Immer mehr sinken in die brodelnde Masse, generieren Feindbilder, woraus auch immer. Man wird es ihnen schon sagen. Und was tun Sie am Straßenrand? Ihren Latte weiterschlürfen? Sie sehen die Misere, analysieren die Fakten, beschreiben das braune Phänomen. Aber im Klo runterspülen sollen es die anderen.

Sie sind gemacht für die Figur des Logikers in Eugène Ionescos Theaterstück „Die Nashörner“, das im kommenden Monat am Düsseldorfer Schauspielhaus Premiere hat. Neu ist der immer wieder auftauchende Hang zum schlichten Weltbild ja nicht. Die Erde als Scheibe und Frauen als zweite Wahl der Schöpfung, mein Gott, ausgerottet ist das noch lange nicht. Ionesco hat das alles schon in den späten 1950ern beschrieben als Reaktion auf die politischen Verwerfungen in den 1930er Jahren. Seine Uraufführung hatte das Stück übrigens am 31. Oktober 1959 am Düsseldorfer Schauspielhaus. Die ewig Gestrigen sind bei ihm Nashörner. Fett, massig und mit einem riesigen Horn auf der Stirn. Also sehr genau zu erkennen, was man ja heutzutage auch gerne hätte. Wie heute und anno dazumal werden sie erst einmal verharmlost, belächelt und unterschätzt. Bis die Rhinozerosse die Mehrheit sind – und sich die anderen dem großen Grunzen hinzugeben versuchen. Schließlich wollen sie mit der Zeit gehen, so braun und dunkel sie auch sein möge. Seien wir gespannt, was Regisseurin Selen Kara und das Ensemble im Advent aus diesem absurden Theater in einer Neuübersetzung von Frank Heibert und Hinrich Schmidt-Henkel machen. Eine Kerze brennt da schon. Überlassen wir sie nicht den Hanseln dieser Welt. Und – ganz wichtig–, die bedrohten echten Unpaarhufer können nichts dafür.

Die Nashörner | 12. (P), 19.12. | Düsseldorfer Schauspielhaus, Großes Haus | www.dhaus.de

Peter Ortmann

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