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Michael Völkel und Amira Bakhit reagieren aufeinander
Foto: Marek Firlej

Graf Fridol geht auf Nachtschicht

22. September 2025

Musik-Improtheater beim Duisburg Fringe Festival – Festival 09/25

Wenn die Schatten länger werden und schließlich die ganze Welt Schatten wird, dann ist es Nacht. Das ist die Zeit, in der ein Taxifahrer zwischen zwei Fahrten sein Leben hinterfragt und zu dem Schluss kommt, er wolle keine mehr Maske tragen. Er will er selbst sein. So beschließt er: Taxifahrer Fridolin sei tot – es lebe der Vampir Graf Fridol! Dass dieser ihr Leben verändern wird, davon ahnt die betrunkene Gisela noch nichts. Damit ist sie nicht allein, denn das Publikum, das dieser ungewöhnlichen Geschichte beiwohnt, hat auch keinen Schimmer, wohin die Reise geht. Alles scheint möglich in einer Nacht, in der Gisela plötzlich Motten zu ihrem neuen Lieblingssnack erwählt. Mehr noch: Auch die Schauspielerin hat zu Beginn wohl nur eine vage Idee davon gehabt.

Motten zum Knabbern 

Geleitet in ihrer Erzählung wird die Schauspielerin Amira Bakhit nicht nur von einer Tafel voll von Begriffen, die zuvor vom Publikum eingesammelt wurden. Soweit wäre das bekannte Improtheater-Kost. Amira Bakhit ist zwar die einzige Schauspielerin auf der Impro-Bühne, aber nicht allein dort. Die Musiker Michael Völkel und Jörg Meißner sind ihre Sparringspartner im Ensemble Unmittelbar nah aus dem mittleren Ruhrgebiet. Mit Saxophonen, Flöte, Gitarren und mehr setzen sie die Stimmung für die nächste Szene. Sie machen Geräusche, auf die die Schauspielerin ihre Figuren reagieren lassen muss.

Eine vage Idee

Das Zusammenwirken zwischen Instrumenten, Erzählung und Schauspiel ist bei Unmittelbar nah somit subtiler als beim Improvisationstheater mit mehreren Schauspielern, die mit Worten und Gesten kommunizieren. Und das macht Eindruck. Zwar beweisen die Musiker „Mut zum Misston“, wie Multiinstrumentalist Michael Völkel es ausdrückte, doch es braucht nur wenige Augenblicke, da entsteht wieder eine Klangkulisse aus Themen zu Figuren oder Orten, Anspielungen an Pop, Rock und Folk sowie dezentem Mickey-Mousing, also der musikalischen Akzentuierung des Bühnengeschehens.

Bitte mehr davon

An diesem Abend im Lokal Harmonie sammelt das Ensemble Begriffe zum Thema Nacht, als sich ebenjene tatsächlich über Duisburg-Ruhrort senkt. Das Publikum bringt, von Amira Bakhit wohl ein bisschen gewollt, die Vielfalt dieses Themas zum Ausdruck und stellt das Stück ins Spannungsfeld zwischen romantischer Verklärung, profanem Großstadtleben und Popkultur. Die einen rufen Begriffe wie „für sich sein“ in den Raum, die anderen „Geister, Geister!“ Aus diesem Spannungsfeld heraus lässt das Trio dann die eingangs angedeutete Geschichte sprießen, die Blüten aus Klamauk, Romanze und Alltagsbeobachtung trägt und die so kurzweilig war, dass die knappe Stunde viel zu schnell vorbei war.

Von Edinburgh in den Pott

Der Auftritt von Unmittelbar nah fand im Rahmen des Duisburg Fringe Festivals statt. Benannt nach dem Vorbild aus Edinburgh bietet dieses Festival der freien Kulturszene nicht nur eine, sondern viele Bühnen. Regionale bis internationale Künstler und Ensembles abseits des großen Kulturbetriebs beschenkten den Duisburger Ortsteil Ruhrort für ein Wochenende mit zahlreichen Überraschungen aus der darstellenden Kunst, Musik, Theater und mehr. Organisiert wird das Duisburg Fringe Festival vom Kreativquartier Ruhrort.

Marek Firlej

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