Seit Monaten diskutiert Deutschland, wie wir wieder wehrhaft werden gegenüber mannigfaltigen Bedrohungen aus allen Himmelsrichtungen. Hunderte Milliarden Euros stehen plötzlich und aus fast heiterem Himmel zur Verfügung. Die Bevölkerung sei sicher, so die jubelnden Rüstungskonzerne und ihre Freunde in der Politik. Doch gilt das nur für die Hälfte der betroffenen Menschen – die andere Hälfte bleibt von häuslicher Gewalt bedroht. Es gibt zwar bald genügend Panzergaragen, ausreichend Frauenhäuser für die heute doppelt bedrohte weibliche Hälfte der BRD aber nicht.
Nach einem „Orange Day“ wissen alle, das alle zehn Minuten eine Frau getötet wird. Femizid nennt man das. Ein schweres Wort für die Männer, die lieber feste prügeln als korrekt zu buchstabieren. Die in Berlin lebende Dramatikerin Maria Milisavljević hat mit „Staubfrau“ einen eigenen Ansatz gewählt, um die Verachtung gegen das ignorante Patriarchat zu behandeln. Eine vielstimmige Flut von Schicksalen strömt durch ihr Stück, das in diesem Jahr den Mülheimer Dramatiker-Preis erhalten hat (Uraufführungs-Inszenierung vom Zürcher Schauspielhaus). Jetzt hat es im Oberhausener Theater in der Regie von Nele Schillo Premiere.
Der Text fragt danach, was dieser schier endlose Fluss wohl erzählen würde, wenn er sprechen könnte. Würde er tatsächlich von den vielen Frauenleichen sprechen, die in ihm verborgen sind – oder lieber vom versenkten Müll, gemischt mit alten Waffen und noch blutigen Messern? Die Biografien aus drei Generationen weiblicher Personen sollen, so Milisavljević, nicht in erster Linie dokumentieren: Sie sollen dafür sorgen, dass diese Frauen gehört werden. Therese, eine junge Frau, vielleicht Anfang des 20. Jahrhunderts, wird vom tumben Fritz erst vergewaltigt, dann umgebracht und im Fluss entsorgt. Grund der von der „Dorfgemeinschaft“ natürlich „übersehenen“ Gewalt ist sicher der abgelehnte Antrag. Der Fritz wird dann 88 Jahre alt, bei seinem Tod trauert das ganze Dorf – der Mörder konnte ja damals nichts dafür. Dieses Verhalten der Gesellschaft den Opfern gegenüber zieht sich bis heute durch, da hilft auch kein „Orange Day“.
Staubfrau | 15. (P), 25.1. | Theater Oberhausen | 0208 857 81 84
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