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Anne Verena Freybott
Foto (Ausschnitt): Lukas Diller

„Es ist ein Weg, Menschen ans Theater zu binden“

28. Mai 2024

Regisseurin Anne Verena Freybott über „Der Revisor kommt nach O.“ am Theater Oberhausen – Premiere 06/24

In Oberhausen kommt Nikolai Gogols Komödie „Der Revisor kommt nach O.“ über Korruption und Amtsmissbrauch auf die Bühne. Im Interview spricht Anne Verena Freybott über ihre Inszenierung mit Bürger:innen der Stadt. 

trailer: Frau Freybott, der Revisor kommt nach O. und alle Beamten fürchten sich, denn jeder hat etwas zu verbergen. Ist das in Oberhausen auch so?

Anne Verena Freybott: Grundsätzlich ist es ja eine Komödie von Nikolai Gogol, und was ich daran so gerne mochte, ist, dass es den Menschen in seiner Problematik so toll packt. Warum scheinen wir alle so ansprechbar für so Geschenke oder Vergünstigungen zu sein? Und was könnte das Ergebnis sein, wenn wir mit einer Gruppe von 12 erwachsenen Menschen arbeiten, die alle hier aus Oberhausen und Umgebung kommen? Insofern ist es ein bisschen jede Stadt dieser Welt, in der Menschen miteinander umgehen, aber auch keine. 

Das Stück wird in der Sparte Open Haus gezeigt. Dabei scheint es sich um eine Art Laien-Mitmachtheater zu handeln. Wozu soll das gut sein?

Das Open Haus bietet nicht nur partizipatives Theater an, sondern ist auch Vernetzungszentrale in die Stadt hinein. Die Stadtbotschafter:innen sind bei uns, wir haben Kooperationen mit anderen städtischen Akteur:innen aufgebaut und wir bieten niedrigschwellige Unterhaltungsangebote in der kleinsten Spielstätte an. Aber ja, es ist auch, wie Sie sagen, „Laien-Mitmach-Theater“. Im Theater gibt es ja verschiedene Möglichkeiten, mit nichtprofessionellen Menschen zu arbeiten. Was ich daran so mag, ist, dass man den Leuten aufs Innerste zeigen kann, was das Theater kann, wenn sie selber Mittel in die Hand bekommen, mit denen sie etwas anders erzählen können. Was sind unsere Probleme, und wie kann ich das im Spiel erfahren? Wie wollen wir eigentlich miteinander umgehen? Und das ist letztlich eine professionelle künstlerische Arbeit mit Laien. Und ich finde, dass man was vermitteln kann über die Möglichkeit, die wir im Leben auch haben. Welche Alternativen zeigt uns das Theater? Und es ist auch ein Weg, um Menschen bis ans Ende ihrer Tage ans Theater zu binden. (lacht)

Ist die Komödie aber nicht das schwierigste Fach auf der Bühne?

Absolut. 

Reicht denn da die Substanz?

Das müssen Sie mich nach dem 8. Juni nochmal fragen. Es sind sehr unterschiedliche Menschen, die ich habe, aber ich mag es, wenn man das gemeinsam angeht. Hauptberuflich bin ich meistens Dramaturgin. Was ich daran so toll finde, ist, dass man das Netz hinter dem Text oder hinter der Inszenierung sucht, das das Ganze zusammenhält. Wir arbeiten seit November in der Konstellation zusammen und haben jetzt einen kleinsten gemeinsamen Nenner gefunden, was wir lustig finden. Und ich bin total Ihrer Meinung, dass die Komödie mit das schwierigste Fach ist und die Reproduzierbarkeit von Komödie. Ich habe auch schon Komödien inszeniert, da hat das Publikum drei Mal hintereinander immer an den gleichen Stellen gelacht und beim vierten Mal hauptsächlich an anderen. Wir haben jetzt noch einen Monat und eine gemeinsame Vorstellung von Humor und was wir damit anstellen können. 

Aber die Geschichte von Gogol musste natürlich angepasst werden?

Ja. Wir haben zwei Stränge, in denen Menschen ansatzweise mit Originaltext umgehen. Und dann hat das spezifische Gründe. Im Revisor wird eine Stadt beschrieben, in der das Leben nicht so wahnsinnig prickelnd ist, und dann gibt es da Hierarchiespiele. Und dafür eignet sich der Text sehr! Ansonsten haben wir es auf eine heutige, abstrakte Allgemeingültigkeit runtergebrochen, um auch nicht konkret zu sagen, es ist zwingend Oberhausen, aber es ist auch nicht Petersburg. 

Bei Gogol gibt es drei bis vier Frauenrollen, sie haben acht im Ensemble. Werden das Hosenrollen?

Unsere Kostümbildnerin hat einen schönen Weg gefunden, den Schauspieler:innen so androgyne Kostüme anzubieten. Und bei jeder Rolle, wo eine Person nicht das Geschlecht mitbringt, das Gogol sich überlegt hat, gehen wir damit anders um. Aber das wird nicht unser allererstes Thema werden. Ich denke, es ist eher eine Gesellschaft in verfilzten Strukturen, die über Geschenke eigenartig zusammenhält. Einerseits ist ein Interesse da, mal rauszukommen, was Neues zu erleben und andererseits der Drang, nichts zu verändern. Das ist die Hauptgeschichte. 

Wo liegen denn die Probleme bei der Arbeit mit einer Laienschar?

Eins meiner Lieblingsprobleme sind die Termine für alle. Die haben ja einfach ein ganz anderes Leben und sind nicht den ganzen Tag im Theater. Daher hat man nicht die Chance, alle komplett kennenzulernen. Da würde ich mir manchmal mehr Zeit mit den Leuten wünschen. Aber es sind keine Probleme, es sind Herausforderungen. Also die Zeit ist eine Thematik, dann denke ich die ganze Zeit: Bringe ich die alle auf der Bühne zum Glitzern? Professionelle Schauspieler haben ja ein Grundhandwerk und das haben die Laien nicht. Kann ich Ihnen ausreichend Ersatz dafür an die Hand geben? 

Wer soll das denn fünfmal angstfrei spielen? Und vor allem: Wer soll sich das ansehen?

Ich finde ja, dass Theater Geschichten erzählen kann, wie wir zusammenleben wollen. Theater gibt uns die Möglichkeit, uns Themen anders anzunähern, Rollen, Leben, Lösungen auszuprobieren. Das kann interessant sein, wenn man sich das mit einer ganz klaren Regiehandschrift mit Schauspielern anguckt. Das kann aber auch super spannend sein, wenn da eine Lehrerin, eine Rentnerin, ein Informatikstudent, also ganz unterschiedliche Menschen dieser Gesellschaft zwischen Mitte zwanzig und siebzig Jahren, das zusammen erzählen. Und dann haben natürlich 12 Menschen auch einen bestimmten Bekanntenkreis und da baue ich auch drauf, dass die das sehen wollen. (lacht)

Der Revisor kommt nach O. | 8. (P), 9., 16., 22., 23.6. | Theater Oberhausen | 0208 857 81 84

Interview: Peter Ortmann

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