Ob in bürgerlichen Tageszeitungen oder Talkshows wie „Markus Lanz“: In den letzten Monaten und Jahren werden zunehmend Stimmen laut, die angesichts der gegenwärtigen Kriege in der Ukraine und anderen Regionen eine „Kriegstüchtigkeit“ Deutschlands fordern. So tritt der uniformierte wie archaische Krieger sein Comeback in den Köpfen der Menschen an – sicher sehr zur Freude von Kriegsgewinnlern wie Rheinmetall.
Um Wehrhaftigkeit dreht sich auch die neue Produktion des portugiesischen Choreografen und Tänzers Marco da Silva Ferreira. „F*cking Future“ wurde diesen Sommer bei der Tanz-Biennale in Lyon uraufgeführt, am 10. Oktober folgt die Deutschlandpremiere. Das Stück setzt sich mit der Frage auseinander, wie sich Militanz und Militarisierung auf Körper und Verhaltensweisen auswirken. Damit knüpft Ferreira auf PACT Zollverein an ein Thema an, das er im Stück „Bisonte“ vor zwei Jahren am selben Ort behandelte: die Konfrontation eines starren Bilds von Männlichkeit mit fluiden Geschlechterkonzepten, in Anlehnung an die Ball Culture der LGBT+-Szene New Yorks Ende der 1970er.
Für „F*cking Future“ trommelt Ferreira ein diverses Kollektiv zusammen: Queere und Drags, aber auch Ritter und Macho-Tänzer marschieren gemeinsam auf einer Bühne, die zu allen vier Seiten offen ist – eine Hommage an die Tanzstege der Ballroom-Szene. Ähnlich wie zuletzt im Stück „Carcaça“ beim Stuttgarter Colours-Tanzfestival geht der 1986 geborene Iberer so einer Idee von Gemeinschaft nach, die konformistisch, aber auch divers sein kann.
Letzteres gilt auch für den Stil von Ferreiras Choreografien, die an ein „Sampling“ erinnern, das Tanzstile durchmischt: von portugiesischer Folklore bis hin zu Streetdance und Moonwalk. Auch dadurch finden sich in seinen Tanzstücken andere Kollektive zusammen, die Geschlechtsstereotype hinter sich lassen und eine neue Form der Vereinigung, gar eines Aufstands gegen patriarchale Verhältnisse heraufbeschwören.
F*cking Future | 10. (P), 11.10 je 20 Uhr | PACT Zollverein, Essen | 0201 289 47 00
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