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Foto: Tom Visser

Spiel mit der Psyche

19. Dezember 2025

Hofesh Shechter gastierte mit seiner Tanzkompanie in Köln – Tanz in NRW 01/26

Der gute alte Theatervorhang, wie sehr er in den freien Theatern doch fehlt. Das verdeutlichte jetzt noch einmal das Tanzgastspiel des Londoner Starchoreografen Hofesh Shechter im Depot des Schauspiels Köln. Der Titel „Theatre of Dreams“ kündigte schon an, dass sich der Abend um die unterschiedlichen Welten der Psyche drehen sollte. Ein Mann löst sich aus den Reihen des Publikums und verschwindet hinter dem Vorhang, im nächsten Moment ist er Teil der Inszenierung. Immer wieder geht der Vorhang ein Stück weit auf und gibt einen Blick auf entweder ruhige oder temperamentvoll getanzte Szenen frei. Für Momente darf man in die Maschinerie der theatralen Fiktion wie in die Innenwelt einer gigantischen Psyche schauen.

Hofesh Shechter zählt eigentlich zu den eher erzählenden Choreografen von Weltrang. Auf unvergleichliche Weise vermochte er in der Vergangenheit mit Traditionen – nicht zuletzt jüdischen – umzugehen, und sie in mitreißend rhythmisierten Sounds für den zeitgenössischen Tanz gewinnen. Diesmal ist es anders, die Träume, von denen im Titel die Rede ist, bleiben vage und bilden ein scheinbar beliebiges Spektrum von gängigen Traumbildern ab. Das Thema ist so weit gefasst, dass nach dem intelligenten Spiel mit dem Vorhang, der zwischen den Welten einer realen Alltagswelt und einer mit Bedeutung aufgeladen Theaterwelt scheidet, nicht mehr viel an Handlung übrigblieb.

Aber Hofesh Shechter kann sich auf die Klasse seines zwölfköpfigen Ensembles verlassen. Das brillierte mit wilden Gruppenbildern, in denen die Schar aus Männern und Frauen das letzte Potenzial an Energie aus sich herausholt. Der Traum hat hier nichts mehr mit Schlafen oder romantisch verklärten Märchenwelten zu tun. Requisiten braucht es nicht, denn die Lichtregie von Designer Tom Visser spielt virtuos auf der Klaviatur der Gefühle mit Farben, die auf der Stelle Emotionen auslösen und den Körpern eine wuchtige Präsenz verleihen. Als besonderes Bonbon bekommt das Publikum Livemusik serviert, die eine anregende Clubatmosphäre verströmt. Inhaltlich gebricht es dieser Produktion an Substanz, aber als Gesamtpaket bietet Hofesh Shechter eine Professionalität, die den Abend dann doch in ein Erlebnis verwandelt.

Thomas Linden

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