Ausgrabungen und Restaurierungen von Gebäuden, Werkzeugen und Kunstwerken: Archäologen widmen sich vergangenen Zeiten, manchmal untergegangenen Reichen. Doch seit der Abhandlung „Archäologie des Wissens“ des bekannten Philosophen Michel Foucault konnte man den Eindruck gewinnen, dass der Begriff „Archäologie“ inflationär jedem Forschungsgegenstand vorangestellt werden kann: Archäologie der Gewalt, Archäologie der Gegenwart usw. Aber eine Archäologie des tänzerischen Selbst? Die plant der belgisch-tunesische Choreograf und Tänzer Mohamed Toukabri mit seiner Solo-Performance bei der Ruhrtriennale. Der umständliche Titel: „Every-body-knows-what-tomorrow-brings-and-we-all-know-what-happened-yesterday“.
Dass Toukabri unterschiedliche choreografische Strömungen bedienen kann, beweist seine Vita: Bereits mit zwölf Jahren begann er damit, Breakdance zu tanzen. Im Alter von 16 ging es nach Paris zur International Academy of Dance, bevor er 2007 in seine Heimatstadt zurückkehrte, um am Mediterranean Centre for Contemporary Dance zu studieren. Später folgten Zusammenarbeiten mit der Performance-Compagnie Needcompany und der renommierten Choreografin Anne Teresa De Keersmaeker. Entsprechend vielfältig ist die Spannbreite von Toukabris Repertoire: Zwischen Street-Arts und Bühnenformaten, Hip-Hop und Postmoderne, Persönlichem und Politischem. Im aktuellen Solo befasst er sich mit der eigenen Autonomie und der Architektur des Tanzes. In seinem ersten Solo „The Upside Down Man“ setzte er sich mit Bewegungsfreiheit und dem Reisen ohne Grenzregimes auseinander. Daran knüpfte seine Nachfolgeproduktion „The Power (of) The Fragile“ an, ein Duett mit seiner Mutter als Geschichte über zwei Menschen, die unfreiwillig durch Staatsgrenzen getrennt sind. Dieses Thema findet sich auch in „Every-body-knows…“, insofern es auch um eine Dekolonisierung seiner Vorstellungskraft geht, die er vom Ballast eurozentrischer Herrschaft befreien will. Und das bedarf archäologischer Forschung.
Ruhrtriennale: Every-body-knows-what-tomorrow-brings-and-we-all-know-what-happened-yesterday | 29., 30.8. je 20 Uhr, 31.8. 18 Uhr | PACT Zollverein | 0201 289 47 00
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