Wenn die Muse des ernsten Gesanges von Miss Piggy vertreten wird und ein Heiligenbild zur Erinnerung an ein Unglück den klaren Blick auf die Alpen schmälert, dann geht es um ein Gedicht der besonderen Art. Das Schauspiel Essen beginnt die neue Spielzeit mit den Texten „Am Königsweg“ und „Endsieg“ von Elfriede Jelinek. Letzteren veröffentlichte die österreichische Schriftstellerin bereits wenige Tage nach der erneuten Wahl eines gewissen Donalds mit deutschen Wurzeln zum US-Präsidenten – als hätte sie gewusst, dass Schafe tatsächlich manchmal auch dem Metzger nicht abgeneigt sind, wenn er ihnen nur verspricht, dass es ein großartiges Schlachten sein wird.
In Essen wird es „Am Königsweg“ (2017) hoffentlich erst einmal lustig und skurril. Im Stück stürmen Rudel wie Rinderherden auf ein Capitol zu – und eine blinde Seherin orakelt mit blutenden Augen eine Tatsache, die viele andere auch sehen, aber nie für wahr halten wollten: Ein demokratisches Amt wurde monarchisch reorganisiert. Anfangs hielt die Welt amüsiert vier Jahre durch, während braunes Gewürm sich überall in die Institutionen bohrte, doch nach weiteren vier Jahren war der König unerwartet wieder da. So wurde es Zeit für Jelineks „Endsieg“. Die Nobelpreisträgerin – ein Status, den der ruchlose König ausgerechnet in der Rubrik Frieden anstrebt – formulierte den neuen Text im Wissen um die braune Vergangenheit seines Titels; einer Vergangenheit, in der alternative Wahrheiten noch Propaganda hießen. Verschleiern, das braucht der neue König, der gern auch über ganz Nordamerika und Grönland herrschen würde, nicht mehr. Als verurteilter Straftäter redet er sich um Kopf und Kragen, doch die Schafherde blökt und jubelt, obwohl das Fressen zur Neige geht. Da die Moral sich auch nicht mehr blicken lässt, bleibt die Ohnmacht der Intellektuellen und der Kunst. Die junge Regisseurin Alina Fluck bringt dennoch die beiden Jelinek-Texte auf die kleine Bühne Ada im Essener Grillo-Theater.
Am Königsweg / Endsieg | 20. (P), 28.9., 2.10. | Ada, Grillo-Theater, Essen | 0201 812 22 00
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?
Als unabhängiges und kostenloses Medium ohne paywall brauchen wir die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser. Wenn Sie unseren verantwortlichen Journalismus finanziell (einmalig oder monatlich) unterstützen möchten, klicken Sie bitte hier.
Fluch, Verrat und Heldensagen
„Angst und Schrecken in Mykene“ im Grillo-Theater in Essen
„Der ganze Essener Norden soll verschwinden“
Regisseur Volker Lösch über sein Theaterstück „AufRuhr“ – Premiere 12/21
„Der ewige Konflikt zwischen Mensch und Maschine“
Nils Voges zur Inszenierung von „Metropolis“ im Theater Essen – Premiere 02/18
Der Maulwurf aus Bottrop
„Jupp – Ein Maulwurf auf dem Weg nach oben“ in Essen – Theater Ruhr 12/17
Yes, we can
„Anatevka“ in Bonn und „My Fair Lady“ in Essen – Musical in NRW 05/16
Das Laboratorium Mensch
2016: Die bedrohte Kreatur an den Theatern – Prolog 01/16
Böse die Glocken mal klingen
Nicht gerade Besinnliches zur Weihnachtszeit, aber Kult – Prolog 12/15
Wehe wenn Monster denken
Gustav Rueb inszeniert tollen„Frankenstein“ in Essen – Theater Ruhr 10/15
„Wir sind sehr nah dran!“
Der Schweizer Regisseur Gustav Rueb zu seiner Frankenstein-Inszenierung am Grillo-Theater Essen – Premiere 09/15
„Wir haben ganz viel zu verteidigen“
Terror statt Datenklau. Hermann Schmidt-Rahmer inszeniert in Essen Mark Ravenhills Theaterstück „Shoot / Get Treasure / Repeat“ – Premiere 05/15
Die Wahrheit hinter dem Leben
„Verbrennungen“ von Wajdi Mouawadin Essen – Theater Ruhr 04/15
Teddybär und Autoscooter
Tolstois „Anna Karenina“ in Essen – Theater Ruhr 07/14
„Es geht auch um Fake News“
Regisseurin Lola Fuchs über „Der zerbrochene Krug“ am Schauspielhaus Dortmund – Premiere 09/25
„Kreativität entsteht manchmal aus Reduktion“
Marc L. Vogler über seine Arbeit als Hauskomponist der Jungen Oper Dortmund – Interview 09/25
Ein Fake für den Nobelpreis
„Der Fall McNeal“ in Düsseldorf – Prolog 08/25
Im Körper graben
„Every-body-knows…“ auf PACT Zollverein – Tanz an der Ruhr 08/25
Supernova oder Weltfrieden
„GenZ, weine nicht“ bei der Jungen Triennale in Bochum – Prolog 08/25
„Wir brauchen sichere, offene Orte“
Ab der Spielzeit 2025/26 leitet Dramaturgin Sabine Reich das Prinz Regent Theater in Bochum – Premiere 08/25
Schnöde Technik oder Magie?
„Oracle“ bei der Ruhrtriennale – Prolog 07/25
„Eine Welt, die aus den Fugen ist“
Kulturamtsleiter Benjamin Reissenberger über das Festival Shakespeare Inside Out in Neuss – Premiere 07/25
Der verhüllte Picasso
„Lamentos“ am Opernhaus Dortmund – Tanz an der Ruhr 07/25
Von Shakespeare bis Biene Maja
Sommertheater in NRW – Prolog 06/25
Tanz als Protest
„Borda“ auf PACT Zollverein in Essen – Tanz an der Ruhr 06/25
„Das Publikum ist verjüngt und vielfältig“
Opernintendant Heribert Germeshausen zum Wagner-Kosmos in Dortmund – Interview 06/25
„Da werden auch die großen Fragen der Welt gestellt“
Kirstin Hess vom Jungen Schauspiel Düsseldorf über das 41. Westwind Festival – Premiere 06/25