Wie verhält sich, lebt und arbeitet das Subjekt des 21. Jahrhunderts? Eine Frage, die sich angesichts der wachsenden Pandemie eigentlich kaum beantworten lässt. Was wäre ein mögliches Szenario für die ferne Zukunft, wenn sich gesellschaftliche Phänomene immer weiter in immer kleinere Territorien komprimieren. Philip K. Dick (Blade Runner, Total Recall, etc.) hat sich mit der Problematik bereits 1954 in seiner Kurzgeschichte „Shell Game“ (Verwirrspiel) beschäftigt, das vielköpfige Bochumer Performance-Kollektiv Anna Kpok tut das in ihrer von Dick adaptierten Version im Ringlokschuppen.
Aus der damals auf einem fremden Planeten abgestürzten Gruppe paranoider Traumapatienten, die in eine Nervenheilanstalt transportiert werden sollten, als das robotergesteuerte Raumschiff versagte, wird jetzt der „Erlebnis-Urlaub“ normaler Zuschauer im Theaterraum zur Überlebensprobe. Denn auch sie werden nach einem Defekt an Bord des Paranoia-Cruisers alle auf dem nächsten Rettungsplaneten abgesetzt. Was bleibt zu tun? Wie organisiert man sich angesichts einer solchen Krise? Klar, jetzt gilt es, das Notfallprotokoll zu befolgen und die grundlegenden Regeln einer Gesellschaft aufrechtzuerhalten, wenn das überhaupt möglich ist angesichts von unterschiedlichen Motivationen und Herkünften. Wer drängt sich nach vorne um die kommenden Tage für alle zu organisieren?
Bei Anna Kpok ist die Inszenierung wieder eine Mischung aus Theater und Live-Game, bei dem sich die Zuschauer ihre Realität selbst erarbeiten müssen. Dass es wie bei Dick ziemlich unschön wird, ist natürlich nicht zu erwarten, ein Erlebnis dürfte es dennoch sein, bei all den vielen kleinen Dystopien, die von Hause aus (oder besser planetar?) im Werk des US-amerikanischen Kultautors stecken. Oft sind es alternative böse Realitäten, in denen sich Mensch, Roboter oder Replikanten beweisen müssen, vielleicht wird es für die Besucher von „Shell Game“ in Mülheim leichter, die Alpträume erträglicher, die sich beim theatralischen Gesellschaftsspiel in einer fremden Welt auftun könnten. Don´t be alarmed.
„Shell Game“ | geplant: 24. - 26.4. | Ringlokschuppen Mülheim | 0208 99 31 60
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Zahlreiche Identitäten
6. Hundertpro Festival in Mülheim a.d. Ruhr – Prolog 07/24
Liebe und Gewalt
„Told by my Mother“ in Mülheimer a.d. Ruhr – Tanz an der Ruhr 03/24
Veränderung und Entwicklung
„Deep Talk“ im Mülheimer Ringlokschuppen – Prolog 11/23
Britney Spears bis Working Class
HundertPro Festival im Ringlokschuppen Ruhr – Festival 09/23
Diskursive Fronten überwinden
„Produktives Streiten“ in Mülheim – Spezial 08/23
Sommerstücke im Grünen
Hochbetrieb vieler kleiner Bühnen im Ruhrgebiet – Prolog 07/23
Folklore und Feuerwerk
ExtraSchicht im Ruhrgebiet – Festival 06/23
Dancing ‘bout my Generation
„Potere“ in Mülheim an der Ruhr – Tanz an der Ruhr 03/23
Desertion gegen Kriegstreiberei
„Ein Mensch wie ihr“ in Mülheim an der Ruhr – Prolog 10/22
Gegen die Normalität
„Hundertpro Festival“ im Ringlokschuppen Ruhr – Festival 08/22
Opa und die SS
„Ur-Heidi. Eine Heim-Suchung“ von KGI – Bühne 02/22
Internationale Frauenpower
Lesungsreihe der Silent University Ruhr
Von und für Kinder
„Peter Pan“ am Theater Hagen – Prolog 05/25
„Der Zweifel als politische Waffe“
Intendant Olaf Kröck über die Ruhrfestspiele 2025 in Recklinghausen – Premiere 05/25
Entmännlichung und Entfremdung
Festival Tanz NRW 2025 in Essen und anderen Städten – Tanz an der Ruhr 05/25
Jenseits des männlichen Blicks
„Mother&Daughters“ auf PACT Zollverein in Essen – Tanz an der Ruhr 04/25
Von innerer Ruhe bis Endzeitstimmung
Die 50. Mülheimer Theatertagen – Prolog 04/25
Gegen den ewigen Zweifel
Die Ruhrfestspiele 2025 in Recklinghausen – Prolog 04/25
„Kunst hat keine Farbe, Kunst ist Kunst“
Isabelle und Fabrice Tenembot vom Verein Afrikultur über das 4. Mboa-Festival in Dortmund – Interview 04/25
„Der Text hat viel mit heute zu tun“
Regisseurin Felicitas Brucker über „Trommeln in der Nacht“ am Bochumer Schauspielhaus – Premiere 04/25
Das gefährliche Leben von Kindern
„Blindekuh mit dem Tod“ am Jungen Schauspiel in Düsseldorf – Prolog 03/25
Baum der Heilung
„Umuko“ auf PACT Zollverein in Essen – Tanz an der Ruhr 03/25
Gewinnen um jeden Preis?
„Alle spielen“ im Studio des Dortmunder Theaters – Prolog 03/25
Kabarett, Cochem-Style
„Zu viele Emotionen“ von Anna Piechotta in Bottrop – Bühne 03/25
Tanzen bis zum Umfallen
46. Duisburger Akzente – Festival 03/25