Ein großes weißes Zelt steht in der Mitte der „Bühne 3“ des Ringlokschuppens. Davor sitzen im Halbkreis die vier DarstellerInnen des Abends, ausgerüstet mit Gitarre und kämpferischem Liedgut. Sie wollen uns „Die Geschichten der Angie O“ erzählen, die immer als erste ihr Zelt da aufschlägt, wo Protest notwendig wird. Doch wer ist diese „Angie O“? So ganz genau weiß das auch auf der Bühne niemand. „Angie is gone“ heißt es gleich zu Beginn dieser Inszenierung, die zwischen Theater, Musical, Performance und Demonstration changiert. Geblieben ist von „Angie O“ nichts als ein leeres Zelt und eine große Portion Idealismus, die nicht so Recht weiß, wohin. Also machen sich die vier AkteurInnen auf die musikalische Suche danach, wofür es sich heute zu kämpfen lohnt. Wer „A“ sagt muss auch „B“ sagen. Aber was, wenn unklar geworden ist, was dieses „A“ am Anfang einmal ausgemacht hat? Wenn alle guten Grundsätze inzwischen vereinnahmt sind von schicken und mächtigen Konzernen? Wie kann man gegen Globalisierung kämpfen, wenn die Bewegung längst global geworden ist?
Den KünstlerInnen der Berliner Gruppe andcompany&Co geht es nicht darum, Antworten zu geben. Im Gegenteil: In den gut anderthalb Stunden des Abends werden Fragen durchexerziert, inhaltlich und formal: Ohne Handlung, Dramaturgie oder Spannungsbogen gelingt den KünstlerInnen das, was Theater gerne als Daseinsberechtigung untergeschoben wird: Die Realität „abzubilden“. Und die ist derzeit chaotisch, gewohnte Zuschreibungen funktionieren nicht mehr, niemand weiß, wo man anfangen soll. Bei Donald Trump? Der Wall Street? Auf der Straße in einer Menschenkette gegen die Polizei? Oder im Büro einer NGO, mit schickem Laptop und leckerem Kaffee?
„Es hilft nur Gewalt, wo Gewalt herrscht.“ „Es hilft nur keine Gewalt wo keine Gewalt herrscht.“ Gegenüberstellungen und Dualismen wie diese ziehen sich durch die Texte der AkteurInnen. Nicht wie ein roter Faden, denn den bietet der Abend konsequent nicht an; aber so häufig, dass man die Sätze, ohne sie zu kennen, vervollständigen kann. Durch ständige Wiederholung werden sie inhaltsleer wie ein Schlagertext, ein Hinweis darauf, dass schwarz-weiße Denkfiguren ausgedient haben – zu kompliziert sind die Umstände.
Und was für ein Zitat- und Referenzfeuerwerk die KünstlerInnen abbrennen! David Lynch, Leonard Cohen, Beyonce und die 90er Jahre Fernseh-Serie „Friends" finden ihren Weg in den Abend. „Friends" ist hierbei besonders hervorzuheben, denn kaum eine andere Serie verkörpert so sehr das kuschelige Gefühl aus analogen, scheinbar sichereren und leichter verständlichen Zeiten.
Der stärkste Moment des Abends ist ein Rapsong der Darstellerin Claudia Splitt, unterstützt von Elektroklängen ihres Kollegen Vincent van der Valk: Ein Lied, das eindrücklich die Finanzkrisen der letzten Jahrzehnte beschreibt. Eindrücklich deshalb, weil es im Grunde nur die Jahreszahlen aufzählt in denen es einen sogenannten „Black Monday“, „Black Thursday“ etc. gegeben hat, also einen Tag, an dem die Börse zusammengebrochen ist. 1929, 1987, 2000, 2011, 2015 – Die Crahs finden in immer kürzeren Abständen statt, selbst auf das Geld ist kein Verlass mehr.
Es ist keine Überraschung, dass der Abend kein Fazit, keine „Message“ hat und auch nicht mit einem großen Knall endet. Es bleiben Fragezeichen und der Eindruck, dass die KünstlerInnen hinter der Bühne ganz bestimmt weiter diskutieren. Genau hier liegt die Qualität des Abends: andcompany&Co reflektiert sich und den eigenen politischen Ansatz mit, ist aktiv um zu aktivieren. Und das nicht aus einem Elfenbeinturm heraus, sondern mit allen Macken und Fragezeichen, die eine ernstgemeinte politische Diskussion naturgemäß hat.
„It's not my revolution if,...Die Geschichten der Angie O“ von und mit andcompany&Co
Weitere Termine: FFT Düsseldorf 20. & 21. Januar 2017
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