Angst essen nicht nur Seele auf, Angst treibt gerade die ungebildeten Türken in den Faschismus. Furcht ist eben der Treibstoff der rechten Verführer weltweit. Und weil das seit Jahren auch in Europa ein Thema ist, spiegeln die diesjährigen Ruhrfestspiele es auch auf ihrem „grünen Hügel“ in Recklinghausen. Wie immer geht’s los am Tag der Arbeit. Eröffnungspremiere hat „Der Sandmann“ von E.T.A. Hoffmann, inszeniert von Theaterstar Robert Wilson. Und dieser Schauerroman handelt von ausgerissenen Augen – und von Angst – und von alchemistischen Experimenten. Die Welt will tatsächlich schaudern?
Kopfüber Weltunter. Das Motto, unter dem Festivalchef Frank Hoffmann, der seit 2005 die Ruhrfestspiele leitet, diese Ausgabe bereits vor einem Jahr gestellt hat, passt wie die Faust aufs Auge und dazu braucht nicht einmal Matthias Brandt in „Angst“ seine Fragmente aus Meisterwerken des Horrors zitieren. Gemeinsam mit dem Musiker Jens Thomas sind sie dieMeister des subtilen Horrors.
Subtil, das passt sicher auch auf August Strindbergs „Rausch“. Den zeigen die Ruhrfestspiele als Koproduktion mit dem Luxemburger Nationaltheater, dem Schauspiel Hannover und dem Deutschen Theater Berlin. Frank Hoffmann hat Regie geführt und dafür bekannte Schauspieler wie Wolfram Koch oder die Britin Jacqueline Macaulay gewonnen. In Strindbergs „Verbrechen und Verbrechen“, so der eigentliche Titel,geht es um Schuld und Buße und um die Taten im Zustand des Rausches. Es wurde in Deutschland bereits 1919 als Stummfilm von Ernst Lubitsch in die Kinos gebracht.
Passend zum Thema Stummfilm begleitet im Reformationsjahr der Pianist Stephan von Bothmer den gerade restaurierten Stummfilm „Luther“ aus dem Jahre 1927 von Hans Kyser. Das wird sicher ein hochspannender Abend, wie auch Peter Sellars „Flexn“, ein wildes Stück mit neuartigem Street Dance. Sellars schafft es nicht nur, denAusdruck rebellischer Wut zu dramatisieren, sondern auch noch in die Köpfe der Zuschauer zu transportieren. Das brauchen heute viele.
Und wer jetzt schon Befürchtungen hegt… Nein, das FRiNGE-Festival der Ruhrfestspiele, das es seit 2005 in Anlehnung an das Fringe Edinburgh gibt, findet auch 2017 wieder statt. Vielleicht auch als Gegenpol. „Finding Joy“ vom britischen Vamos Masken-Theater versucht jedenfalls den Spagat. Joy wird gerade 83 Jahre alt und sie ist lustig und sie tanzt gern, aber sie verliert gerade ihr Gedächtnis. Die Produktion eröffnete 2014 das London International Mime Festival und wurde beim Edinburgh Festival 2016 mit Standing Ovations bedacht.
Und jetzt? Inspiriert von Samuel Becketts Roman „Watt“ fragen sich das 13 Darsteller im FRiNGE-Zelt. Die zahlreichen Beckett‘schen Charaktere schwanken, taumeln und suchen hilflos nach Orientierung. Das Stück „Wat(t) nu?!“ vomluxemburgischen „collectif DADOFONIC“ ist eine Geschichte nicht nur über das Kommen und Gehen.
Ruhrfestspiele | 1.5.-18.6. | diverse Orte, Recklinghausen | www.ruhrfestspiele.de
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