Jerry Zeniuk ist sofort bei der Sache. Seiner ersten Antwort beim Pressegespräch ließ er einen kurzen Vortrag über sein Verständnis von Malerei folgen. Über Farbe und ihre Verwendung in der Kunstgeschichte und ihre Lösung vom Gegenstand, ihren Eigenwert. Und über die eigene Kunst. „Wenn ich mir überlege, wie lange ich schon male“, so Jerry Zeniuk, „dann muss ich schon ziemlich alt sein.“ Einwurf aus der Fragerunde: Solange er male, sei er nicht alt. Im Übrigen, seine Kunst geht gegen jede Routine an. Mindestens zwei oder drei Mal habe sich seine Malerei ganz neu erfunden und dies im Bereich der gegenstandsfreien Kunst, berichtet Heinz Liesbrock, der Direktor des Josef Albers Museum. Nach Anfängen mit „einfachen“ monochromen Farbflächen, gewinnt für Zeniuk die Farbe als frei fasernde Form die absolute Hoheit. Zunächst sind die verhalten gestisch gemalten Partien ineinander verzahnt, später erweitern sich einzelne Farbflächen zu Feldern, in denen kleinere Formen sitzen. Und heute befinden sich amorphe Flecken für sich, also mit Abstand zueinander, auf der teils ungrundierten Leinwand.
Jerry Zeniuk wurde 1945 in Niedersachsen geboren, als Sohn einer ukrainischen Familie. Diese zog schon ein paar Jahre später weiter nach Amerika. Dort hat Zeniuk in den 60er Jahren Kunst studiert: in New York, der damaligen Welthauptstadt der avantgardistischen Malerei, des Abstrakten Expressionismus und der Farbfeldmalerei. Zeniuk betont die Bedeutung von Piet Mondrian und später von Hans Hoffmann für diese Kunststile in Amerika und damit in der ganzen Welt: Bis heute zählen sie auch für ihn, der mittlerweile selbst zu den wichtigen abstrakten Malern gehört, zu den „Helden“ im Umgang mit der Farbe. Und in der älteren Kunst: Giotto, Tizian, El Greco. Vor diesem Hintergrund und mit den eigenen Erfahrungen (zu denen etwa auch, bei seinen frühen monochromen Bildern, die Weite der Landschaft in Amerika zählt) lebt und arbeitet er seit den 70er Jahren in Deutschland. Bis zu seiner Emeritierung hat er als Professor an der Kunstakademie in München unterrichtet. Seine Malerei kennen wir vor allem aus seinen Ausstellungen in der Galerie Konrad Fischer in Düsseldorf.
Zeniuk geht es immer in seiner Malerei ums Grundsätzliche. Er befreit die Farbe von allen illustrativen, politischen oder psychischen Bedeutungsebenen. Farbe meint bei ihm das, was sie ist. Dazu gehören der Pinselauftrag (der als kontrollierte Emotion ablesbar bleibt), das Format (das ganz verschieden ist), die Leinwand oder der Baumwollstoff als Bildträger und vor allem die Farben als solche und als Flecken zueinander: Es geht um das, was zu sehen ist. Aber es braucht Zeit, das Bildgeschehen und seine Temperierungen zu erfassen. Zeniuk weist selbst darauf hin: „Ich male Raum.“ Die Farbflecken scheinen vor der Leinwand zu schweben. Sie interagieren miteinander und treten von Mal zu Mal hervor. In der Wiederkehr der gleichen Farbtöne zeichnet sich eine innere Logik ab, welche die Orientierung forciert und zum Gleichgewicht der Bilder beiträgt.
Innerhalb des Programms des Museum Quadrat in Bottrop „passt“ Zeniuks Ausstellung in die Reihe zur abstrakten Malerei, in der etwa Helmut Dorner oder Gotthard Graubner oder Ricardo Saro vorgestellt wurden. Aber sie nimmt auch den Dialog mit dem „Hausherren“ Josef Albers, dem deutsch-amerikanischen Maler und Lehrer auf, der mit seiner am Quadrat orientierten konstruktiven Farbfeldmalerei hier umfassend vertreten ist. „Ich bin stolz, dass meine Bilder neben denen von Josef Albers hängen“, sagt Zeniuk. Aber auch für die Wahrnehmung der Gemälde von Albers ist das Zuspiel ein Gewinn: Es sensibilisiert für den jeweils besonderen Umgang mit der Farbe und ihrer Form bei beiden Künstlern.
„Jerry Zeniuk – How to Paint“ | bis 27.11.| Josef Albers Museum Quadrat Bottrop | 02041 297 16
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