Eine grandiose Ausstellung, die sich im Ambiente von Bredeney mit der Siedlung Brandenbusch zunächst im Hintergrund hält. Durch den opulenten Park gelangt der Besucher zur eindrucksvollen Villa Hügel. Das einstige Wohnhaus der Familiendynastie Krupp bleibt mit Veranstaltungen lebendig und repräsentativ, seltener finden Ausstellungen statt, aber die haben es dann – in der Belle Etage – in sich. In diesem Jahr wird das 50-jährige Bestehen der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung gefeiert und dazu wird nun, in Kooperation der Kulturstiftung Ruhr mit dem Josef Albers Museum Quadrat Bottrop, Albers' Werk zwischen 1914 und 1976, seinem Todesjahr, ausgebreitet: Schließlich ist Albers 1888 im Ruhrgebiet, in Bottrop geboren und hat an der Kunstgewerbeschule in Essen studiert, ehe er nach München und dann 1920 zum Bauhaus nach Weimar gewechselt ist.
Die Ausstellung geht der Werkentwicklung des deutsch-amerikanischen Hauptvertreters der konstruktiven Malerei nach, beginnend mit figürlichen Handzeichnungen aus der Studienzeit. Am Bauhaus in Weimar beginnt Albers mit Glas-Assemblagen und Glasmalereien, die seine späteren Interessen vorbereiten. Er widmet sich schon da der gegenstandsfreien Farbe und ihrer Wahrnehmung unter wechselnden Verhältnissen: Das betrifft das (durchscheinende, reflektierende) Licht ebenso wie der Einfluss der benachbarten Farben. „Farbe ist das relativste Medium der Kunst“, wird Albers später schreiben. 1925 wurde er zum Bauhaus-Meister der nach Dessau umgezogenen Schule berufen; die Ausstellung berücksichtigt, neben den Glasfenstern, seine selten gezeigte Angewandte Kunst, etwa die Stühle, Tische, eine Schale.
1933 wurde das Bauhaus aufgelöst und noch im selben Jahr traten Josef und seine Ehefrau Anni, die als Textilkünstlerin Erfolg hatte, Lehraufträge am experimentell ausgerichteten Black Mountain College an – ihr Ruf war bereits bis in die Vereinigten Staaten gedrungen. Die Ausstellung schildert die Emigration und die Rolle des College in North Carolina, von dem aus das Ehepaar Reisen nach Kuba und ab 1935 wiederholt nach Mexiko unternommen hat: Visuelles Ziel waren die präkolumbischen Stätten mit ihren Keramikfiguren und die geometrischen Architekturen, aber auch der farbige Verputz der profanen Hauswände, die Albers zunächst zu seinen konstruktiven, in einer vibrierenden Textur auf Masonit gemalten „Variant“- und „Adobe“-Serien führen. Gleichzeitig weist die Ausstellung in einem eigenen Raum auf die Bedeutung der (christlichen) Spiritualität bei Albers hin. So sind Fotografien und Collagen aus Postkarten ausgestellt, die er 1955, als er als Gastprofessor an der Hochschule für Gestaltung in Ulm weilte, in Kirchen und Klöstern im süddeutschen Raum zusammengetragen hat.
Der Ausstellungsparcours mündet im Hauptwerk, der Serie „Homage to the Square“. Bei diesen Malereien im Format von 40 x 40 bis 120 x 120 cm sind zwei bis vier verschieden farbige (oder tonige) Quadrate auf der Symmetrieachse ineinander geschachtelt und teils nach oben oder unten verschoben. Das Quadrat als neutralste Form tritt dem Betrachter frontal und in Klarheit gegenüber. Und doch wirkt selbst jetzt die farbliche Umgebung auf die Wahrnehmung der Farben ein. Man muss mehrmals hinsehen, wird dabei von hinführenden Skizzen motiviert, die zeigen, wie analytisch Albers bei jedem seiner Bilder vorgegangen ist. Die fünf Kabinette, die vom prächtigen Hauptraum der Gemälde abzweigen, umspannen die legendäre Werkgruppe, indem sie das erste (1950) und das letzte (1976) Bild begleitet von weiteren Beispielen zeigen. Das ist wirklich sensationell: Hier sind Bilder aus amerikanischen und deutschen Privat- und Museumssammlungen mit denen des Josef Albers Museum Quadrat Bottrop und der Josef und Anni Albers Foundation im amerikanischen Bethany vereint, die man sonst nie zusammen sieht. Dass in der Kunstsammlung NRW im nahen Düsseldorf zeitgleich eine Retrospektive der Textilwerke von Anni Albers (noch bis 9. September) gezeigt wird: umso besser.
Josef Albers – Interaction | bis 7.10. | Villa Hügel Essen | www.villahuegel.de
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