Zeitenwende im Bottroper Quadrat: neue Museumsleitung, neu konzipierte dauerhafte Sammlungspräsentation, ein nagelneuer Anbau nur für Wechselausstellungen – und eine Eröffnungsschau, die einen frischen Blick auf Altbekanntes lenkt. Mit einer exquisiten Auswahl aus Josef Albers‘ Werkzyklus „Homage to the Square“ verabschiedet sich Museumsdirektor Heinz Liesbrock nach 20 Jahren in den Ruhestand. Und positioniert damit als persönlichen Schlussakkord Albers als bedeutenden Maler des 20. Jahrhunderts. Viele sehen in dem gebürtigen Bottroper und Bauhauslehrer (1888-1976) bislang nur den malenden Professor, der mit seinen Farbquadraten stur nach Schema F sein pädagogisches Programm durchzog. Die Ausstellung veranschaulicht dagegen anhand von 100 „Homages“ aus aller Welt und 26 Schaffensjahren Albers‘ Entwicklung als Künstler.
Erst mit 62 Jahren fand der in die USA emigrierte Akademieprofessor zu seiner Passion für Farben, Farbnuancen und ihre Wirkung in wechselnder Zusammenstellung. Bis zu seinem Tod schuf er über 2000 „Homages to the Square“. Jeweils drei bis vier Farben schichtete er direkt und ungemischt aus der Tube mittels Spachtel auf eine Spanplatte – ohne Lineal, doch mit Kalkül und ruhiger Hand. Nah vor dem Bild sieht man das.
Albers allererstes Quadrat-Gemälde aus dem Sommer 1950 bildet, ganz in Grau, den Auftakt der Ausstellung. Der Kurator entschied sich für die chronologische Hängung in acht Kapiteln, um die Wandlung im Farbempfinden zu veranschaulichen: Von gedeckten Tönen über rote, gelbe, blau-grüne Bilder bis hin zu wieder dunkleren Nuancen entfaltet sich ein eindrucksvolles Wechselbad zwischen Ruhe und Bewegung, Räumlichkeit und Fläche und ganz unterschiedlichen Stimmungen. Vorausgesetzt, man nimmt sich Zeit für die differenzierte Betrachtung der Bilder wie auch der Skizzen, Gedichte, Fotos und Dokumente in Tischvitrinen und einzelnen Meisterwerken von Cézanne, Morandi, Reinhardt und Judd, die für Albers von Bedeutung waren. Der Neubau im dezenten White-Cube-Chic ist ideal für Albers‘ Kunst – kompakt proportioniert, mit Sheddach für Tageslicht von oben und vier großen Fenstern für Ausblicke in den Stadtgarten. Man darf gespannt sein, womit die neue Direktorin Linda Walther ihn zukünftig füllen wird.
Josef Albers. Huldigung an das Quadrat | bis 26.2.23 | Museumszentrum Quadrat, Bottrop | 02041 37 20 30
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