Schlümpfe und blaue Schildkröten, rauchende Putten und Insekten vor islamischem Dekor – es ist ein aparter Mix, den Nadira Husain hinter der Museumsschaufensterfront kombiniert. 1980 in Paris geboren, hat sie in Frankreich und Kanada Kunst studiert, die Mutter baskisch, der Vater ein indischer Muslim. Seit rund zehn Jahren lebt und arbeitet sie nun hauptsächlich in Berlin. Kein Wunder also, dass sie Einflüsse aus vielen Kulturen in ornamentalen Wimmelbildern vereint, auf denen man immer wieder Neues entdeckt. Ein farbenfrohes All-Over aus Mustern, Symbolen und Figuren aus der indischen Mythologie, der islamischen und europäischen Kunst und Alltagsdingen breitet sie vor uns aus, Zeichen und Motive, die aufgespürt, vielleicht entschlüsselt, und natürlich ästhetisch genossen werden wollen.
Dazu gibt es jetzt im Kunstmuseum ausgiebig Gelegenheit – rund um die Uhr, von außen und innen. Husains „Liquid Grids“ ist die erste Installation der neuen Ausstellungsreihe „24-Stunden-Museum“, nachts beleuchtet und durch die Glasfront im Erdgeschoss einsehbar. Man erblickt Ausschnitte eines über 15 m langen, deckenhohen Wandbilds, in das die Künstlerin Vorhänge, Ketten und drei großformatige, doch kleinteilige Bildtafeln integrierte. Hier wie dort wimmeln figürliche und abstrakte Motive über die mit geometrischen Rastern und floralen Elementen unterlegten Bildflächen: Putten, Herzen, Brüste, Augen, mal als Abbild, mal als Schatten oder Umriss, aber nie nur lieblich und dekorativ. Es wimmelt nämlich auch von „Störern“: Schwarze Insekten, Scheren, Brillen, Zigaretten oder Körperteile sowie seltsame Keramiken irritieren die Harmonie. Mit Augen bemalte Vasenobjekte blicken scharf zurück, aber wie sieht wohl ihre Rückseite aus?
Details entdeckt man nur im Ausstellungsraum aus der Nähe, kunstvoll verwoben. Darunter Schildkröten auf den Bildern und dem Boden, versteckte Schattenrisse von Schlumpf-Figuren, die die Künstlerin als Kind mit dem blaugesichtigen Hindugott Shiva verband. Barock trifft Pop Art, westlicher Alltag und indisch-islamische Traditionen fließen in Husains Werken zu einem Gesamtornament ineinander und bilden ein poetisches, wertneutrales Spiel voller frecher Brüche, freigegeben für Assoziationen aller Art. Das Museum lädt dazu ein, der Eintritt ist frei.
Nadira Husain: Liquid Grids | bis 16.11. | Kunstmuseum Gelsenkirchen | 0209 169 43 61
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