Es muss ja nicht nur ein Trend sein. Unter den Ausstellungen, die sich aktuell ausschließlich Künstlerinnen widmen, gehört die Ausstellung „InformElle“ in Hagen zu den schönsten und sinnvollsten. Sie wendet sich den Künstlerinnen des abstrakten Expressionismus und der informellen Kunst zu, die in den 1950er- und 1960er-Jahren an einem innovativen künstlerischen Neuanfang nach den Kriegsjahren arbeiteten. Nun standen Farbe und Geste im Vordergrund, die Figur verschwand, die Systeme der Malerei ergaben sich aus der Psyche und wurden subjektiv erarbeitet. Emil Schumacher, dem das Museum in seiner Heimatstadt gewidmet ist, wurde in dieser Zeit berühmt, wobei sich die Rezeption dieser Stilrichtung auf ihre männlichen Vertreter verengte, die Gruppen wie den „jungen westen“ in Recklinghausen oder die „Quadriga“ in Frankfurt gegründet oder am Symposion Informel in Saarbrücken teilgenommen hatten.

Die Qualität und Innovation einiger der wichtigsten Künstlerinnen zeigt nun die Wanderausstellung „InformElle“ auf ihrer Station in Hagen. Vorgestellt werden 16 Malerinnen und Bildhauerinnen mit jeweils mehreren Werken, die ihre Leistung in dieser Zeit verdeutlichen. Das älteste Werk stammt aus dem Jahr 1958 (Helen Dahm), das jüngste von 1967 (Roswitha Lüder). Auch wenn der Schwerpunkt auf Künstlerinnen aus Deutschland liegt, so sind weitere westeuropäische Positionen einbezogen. Zu den angenehmen Schieflagen gehört, dass auch Künstlerinnen gezeigt werden, die bisher nicht weiter in Erscheinung traten – die sich jetzt aber großartigbehaupten, ja, über deren Beteiligung man nur froh sein kann.
Die Ausstellung klärt die Weite des Spektrums des Gestischen, der Linieund der Abstraktion. Die meisten Künstlerinnen sind in dieser Zeit jung und künstlerisch auf dem Weg – und es ist ja auch spannend, die Werke im Rückblick und Wissen um das Spätere zu betrachten. Brigitte Meier-Denninghoff, die später mit Martin Matschinsky monumentale dynamische Röhrenskulpturen geschaffen hat, findet bereits zur festen, dabei stereometrisch orientierten Form, die räumlich begriffen ist. Mary Bauermeister ist hier sozusagen vor der typischen Mary Bauermeister zu sehen, aber die Reduktion und das Kristalline sind bereits angelegt. Bei Sigrid Kopfermann organisieren sich in ihrer experimentellsten Zeit die Farbpartien schon zur Landschaft.
Helen Dahm, Raumgitter auf Blau, 1958, Mischtechnik auf Leinwand, 100 x 75 cm, Hessen Kassel Heritage, Neue Galerie, © Helen Dahm-Gesellschaft, Oetwil am See, Foto: Thomas Gerber, BurgdorfVertreten ist auch Maria Lassnig, lange bevor sie berühmt wurde. Ihre Malereien verzichten auf die Figur, aber der lichte Farbraum ist in seiner ganzen Tiefe schon gegeben. Die etwas ältere Maria Helena Viera da Silva malt in dieser Zeit ihre Hauptwerke, die aus dem linearen Gestus heraus „atmende“ Räume entwickeln. Auch wenn die Bilder schon mehr als ein halbes Jahrhundert „alt“ sind, wirken sie doch in der Zusammenschau lebhaft und anregend, ihre innovative Kraft wird spürbar. Dazu trägt die Präsentation im Emil Schumacher Museum bei, mit ihrer Ruhe und Konzentrierung und den Sichtachsen, die die Beziehungen zwischen den Künstlerinnen vertiefen. So kann es hier weitergehen!
InformElle – Künstlerinnen der 1950er/60er-Jahre | bis 11.1. | Emil Schumacher Museum in Hagen | 02331 207 31 38
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