Maschrabiyyas, ornamentale Holzgitter vor Fenstern und Erkern, sind in Ägypten allgegenwärtig. Als Sonnenschutz – und Sichtschutz: Islamische Frauen können ungesehen hindurchschauend am Leben auf der Straße teilnehmen. Wenn sie nicht allein vor die Tür dürfen. Für Susan Hefuna, Tochter deutsch-ägyptischer Eltern, galt das nie. Sie ist Weltbürgerin, 1962 in Berlin geboren, in Ägypten und Österreich aufgewachsen, hat am Frankfurter Städel Kunst studiert, u. a. in New York gelebt und ist weltweit in Sammlungen und Ausstellungen vertreten – als Grenzgängerin zwischen den Kulturen. Maschrabiyya-Gitterstrukturen sind ihre ästhetischen Leitmotive, seit fast vier Jahrzehnten. In Deutschland war ihr Werk noch nie in einer großen Museumsausstellung zu sehen. Bis jetzt. Etwa 400 Arbeiten, oft kleinformatige Grafik in vielteiligen Werkgruppen, geben in der Küppersmühle Einblicke in Hefunas Kunst.
Ein dunkles Holzgitter mit den integrierten Wortelementen „Woman Cairo“ setzt als Wandobjekt im Foyer das Eingangsstatement. Historisch anmutende Lochkamerafotos von ägyptischen Stadtbildern und Architekturdetails (um 2000), gepaart mit Porträts der Künstlerin, liegen in Vitrinen. An der Wand eine grobkörnige Vergrößerung: eine schemenhafte Frauengestalt hinter einer unscharfen Maschrabiyya. Gitterfragmente, Käfigräume und stilisierte Skylines variiert Hefuna in unterschiedlichsten Techniken und Materialien, doch immer in Bewegung. Alle abstrakten Formen tanzen: organisch, dynamisch. Mal mit zartem Strich auf mehrere Lagen Transparentpapier getuscht, collagiert, vernäht. Mal als turmartige Käfigobjekte aus Palmholz, inspiriert von traditionellen Transportkisten: in den Raum gestellt und so ausgeleuchtet, dass bei jeder Bewegung faszinierende Gitterschatten über die Wände gleiten.
Den zentralen Ausstellungsraum besetzen die aktuellen Stoffarbeiten: Gewänder und Wand-„Accessoires“ mit aufgenähten geometrischen Elementen. Auch Buchstaben in kräftigen Farben: Miteinander verbunden bilden sie konkrete Poesie in Kurzform. Worte, die in unterschiedlichen Kulturen unterschiedlich gelesen werden. Susan Hefunas Arbeit will vernetzen, mit filigraner Grafik wie mit handgearbeiteten Reliefs, die ins Auge springen – und die man, ihrer stofflichen Qualität zuliebe, unbedingt im Original sehen sollte.
Susan Hefuna – Passage | bis 25.1. | MK Museum Küppersmühle, Duisburg | 0203 30 19 48 11
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