Mit „Light-Land-Scapes“ zeigt das Zentrum für Internationale Lichtkunst Unna im Keller der ehemaligen Lindenbrauerei Werke von Andreas Schmid, Jeongmoon Choi, Yoana Tuzharova und Thomas Jürgens vom Atelier Rosalie.
trailer: Frau Hahn, im Hades der Stadt Unna gibt es immer wieder leuchtende Landschaften zu durchwandern. Werden damit nicht die Bier liebenden Geister der Vergangenheit vertrieben?
Christiane Hahn: Wir sind ja in einer alten Brauerei. Wir würden also nie die Bier liebenden Geister vertreiben, sondern sie rühmen. Und die alten Räume feiern und ihnen immer wieder neues Leben mit unserem Licht einhauchen.
Hat dieser Untergrund einen Mehrwert für auswärtige Besucher:innen?
Definitiv. Wir sind so einzigartig mit dem, was wir da unten zeigen, dass es sowohl für Menschen aus Unna, als auch für auswärtige eine absolute einmalige Erfahrung ist, wenn sie unser Museum besuchen. Bei uns passiert ganz viel über die Wahrnehmung, wir sprechen ganz viele Sinne an, und das funktioniert für jedes Alter, egal ob Kunstkenner oder nicht perfekt.
Was erwartet die Besucher:innen der Jahresausstellung „Light-Land-Scapes“?
Wir laden zu einem Spaziergang ein, bei dem man oberirdisch starten kann, denn da ist in der Fußgängerzone schon ein erstes Kunstwerk von Andreas Schmid zu sehen. Das ist zwar schon länger da, aber wir werfen mit der Ausstellung jetzt ein neues Licht darauf. Dann wandert man zehn Meter unter die Erde und es öffnen sich vier neue Räume. Auch da starten wir mit Andreas Schmid, der uns auf eine Lichtung aus Licht einlädt. Ganz poetisch und ganz zeichnerisch. Zarte Linien umfangen uns dort, die zum Durchwandeln einladen. Dann trifft man im nächsten Raum auf die Arbeit „Floating Horizon“ von Jeongmoon Choi. Hier muss man sich echt erstmal orientieren, weil es plötzlich sehr dunkel ist, denn das ist eine Installation, die mit Schwarzlicht arbeitet. Der Raum wird so nur durch ganz zarte, fluoreszierende Fäden erhellt, die dafür ganz speziell gespannt worden sind, eine schier unfassbare Arbeit, die allein in der Verknotung dieser Fäden steckt. So entwickelt sich ein Labyrinth, eine Art Wald, durch den man sich aktiv hindurchbewegen kann. Im dritten Raum kommt man zur Installation „Penumbra“ von Yoana Tuzharova, die uns in eine ganze Landschaft aus Licht und Farbe mitnimmt. Sie hat großformatige tiefe Wände bauen lassen – und so entsteht etwas Urbanes, dass sie in diese alten Räume integriert hat. Leuchtende Lichtprojektionen lassen auf diesen farbigen Flächen ständig neue Farbwirkungen entstehen. Immer wenn man denkt, man hat es gesehen, taucht eine andere Wand und Farbe auf, man kann sich darin bewegen, vor und zurückgehen, und manchmal kommt man scheinbar auch nicht mehr weiter. Und wenn man dann erfüllt ist von Farbe, findet man noch eine weitere Lichtlandschaft, im größten Raum, den wir hier haben. Wir haben ihn extra freigeräumt, denn dort ist sonst die Arbeit von Christian Boltanski untergebracht. Hier kann man von oben und unten auf die aus mehreren modularen Paneelen zusammengesetzte Lichtskulptur „Stream I.-III.“ vom Atelier Rosalie / Thomas Jürgens schauen. Das wird insbesondere für Besucher:innen, die regelmäßig zu uns kommen, eine andere Raumerfahrung werden. Je nach Standpunkt eröffnen sich unterschiedliche Perspektiven – vom Weg entlang des Lichtflusses bis zum Blick von oben ins abstrakte Flusstal aus Licht.
Die technischen Entwicklungen gehen immer weiter. Kann man das an den aktuellen Lichtkunstarbeiten ablesen?
Definitiv. Wir merken, dass moderne Technologien immer relevanter werden. Wenn wir auf unsere Klassiker in der Dauerausstellung blicken, werden da oft die klassischen Neonröhren als Ausgangspunkt benutzt. Aber schon James Turrell hat mit LEDs gearbeitet. Hinter den aktuellen Arbeiten steckt aber auch sehr viel Programmierung. Damit werden heute ganz andere Möglichkeiten geschaffen. Gleichzeitig hat man aber auch hin und wieder Künstler:innen wie Jeongmoon Choi, die dann als Gegenpol eher auf ein sehr geerdetes Material zurückgreifen wie Schwarzlicht und fluoreszierendes Material. In der Ausstellung ist es spannend, das in einem Kontext zueinander zu sehen.
Das Internationale an dem Kunstzentrum besteht schon sehr lange. Wie wichtig sind die Führungen? Haben sie nur inhaltliche oder auch Sicherheitsgründe?
Tatsächlich sind es immer noch die Sicherheitsaspekte, die es uns zumindest auferlegen, Führungen zu machen. Außer an den ersten Sonntagen im Monat, wo wir zwar eine freie Begehbarkeit anbieten, aber da stehen dann natürlich an jeder Ecke Kolleg:innen und passen auf, dass es allen gut geht. Allerdings hängen wir aber auch ein bisschen an unseren Führungen. Das ist ein echtes Alleinstellungsmerkmal. Wir stellen immer wieder fest, dass Besucher:innen die vorher sagen, dass sie doch gar keine Führung bräuchten, hinterher durchaus mit einer gewissen positiven Begeisterung darüber aus dem Keller kommen. Wir bauen so auch eine andere Nähe zu unserer Kunst auf und können die ganz anders vermitteln.
Auf dem Rundgang durch die neue Ausstellung sehen die Besucher:innen sicher auch die Sammlung. Wird da qualitativ und inhaltlich verglichen?
Vor Vergleichen scheuen wir uns. Kunst kann man schlecht vergleichen. Wir betrachten unsere wechselnden Ausstellungen immer als kurzfristige Erweiterungen unserer Sammlung. So zeigen wir auch Perspektiven, die wir sonst nicht haben oder Künstler:innen, die wir dann einladen, weil wir die noch nicht in der Sammlung haben. Aber das hat natürlich auch immer eine werbende Ebene, denn wir locken so auch alle, die die Sammlung irgendwann gesehen haben, mit neuen, besonderen Kunstwerken.
Light-Land-Scapes | 7.6. - 4.1.26 | Zentrum für Internationale Lichtkunst Unna | 02303 103 45 67
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