Junge Künstler:innen aus Münster befassen sich im Ausstellungshaus Kunst im Tunnel mit Menschsein und Arbeit.
trailer: Frau Peters, Herr Raumann, KI wird immer wichtiger – ist die Ausstellung „Human Work“ im KIT ein Gegenentwurf oder eine Betrachtung?
Johannes Raimann (JR): Es sind ja vier unterschiedliche Positionen und damit auch vier unterschiedliche Zugänge zum Thema. Die Ausstellung heißt „Human Work“, und was wir gesehen haben bei den Künstler:innen, ist, dass bei ihnen der Mensch wieder im Vordergrund steht, und ich glaube, wir haben keine Arbeit, wo die KI explizit vorkommt, aber sie schwingt natürlich im Hintergrund mit.
Gertrud Peters (GP): Ganz besonders bei Yedam Ann, das ist die koreanische Künstlerin, die sich darauf konzentriert hat, wie wir Menschen in dieser neuen mobilen und digitalen Welt noch zurechtkommen, wo wir uns zuhause fühlen oder ob wir uns in einem Nicht-Ort fühlen. Das ist natürlich ein Thema, wo die KI mit hineinspielt.
Der Titel „Human Work“ bleibt also mehrdeutig?
JR: Ja natürlich, man kann ihn in den unterschiedlichen Positionen wiederfinden.
GP: Das hat auch sehr viel damit zu tun, dass wir Filme und Videos zeigen, die sich intensiv mit tatsächlicher menschlicher Arbeit beschäftigen. Da wird einmal die Büroarbeit als körperliche Arbeit thematisiert und in „Made in Europe“ hat der georgische Künstler Zauri Matikashvili seinen Vater gefilmt, der immer von Georgien nach Deutschland fliegt und seit Jahrzehnten hier unseren Wohlstandsmüll einsammelt und dann mit dem Auto zurück fährt, um den dann dort zu verwerten und zu verkaufen. Der zeigt dann sehr persönlich Überfluss, Armut und den Vater-Sohn-Konflikt.
JR: Ja, aber auch Themen wie Nachhaltigkeit und Entfremdung – und nebenbei ganzheitliche Systeme, die man nicht so auf dem Schirm hat.
Was für Kunstformen sind im Tunnel zu sehen?
JR: Wir haben Videos und Installationen und Leuchtkästen. Aber es werden auch Skulpturen zu sehen sein. Dazu erweiterte Fotografien, die aus Screenshots entstanden sind.
GP: Was wir beide festgestellt haben, als wir die Künstler:innen aus Münster besucht haben, ist, dass es Fotografie mit Abzügen, die man dann an eine Wand hängt, gar nicht mehr so gibt bei den jungen Künstlerinnen und Künstlern. Die wandeln das Fotografische in Bilder um, die dann auch Videos oder Screenshots sein können. Das wird inzwischen sehr breit ausgedehnt in unterschiedliche Medien. Da gibt es überaus spannende Filme und es gibt Arbeiten wie „Speakers Corner“ von Jan Niklas Thape, wo sich die Zuschauenden im Gang dann wie mittenddrin im echten Speakers Corner in London (Versammlungsplatz im Hyde Park, d. Red.) fühlen. Vieles ist sehr politisch, eine Arbeit beschäftigt sich explizit mit dem Nationalsozialismus und wie wir heute damit umgehen. Und es gibt eine fotografische Arbeit, die sich mit dem Thema Hautfarbe beschäftigt.
Düsseldorf ist eine Stadt mit berühmter Kunstakademie. Wieso dann Kunst aus Münster?
GP: Wir werden alle zwei Jahre gefördert von der Kunststiftung DZ Bank. Die geben uns dann 30.000 Euro, damit wir hier im KIT eine Ausstellung machen mit jungen Künstler:innen aus Münster und von der Düsseldorfer Kunstakademie, immer im Wechsel. In diesem Jahr sind es Akademie-Absolventen aus Münster.
Wie besonders ist das Kuratieren in so einem Ausstellungsraum?
JR: Das ist schon ein besonderer Raum, weil es zwei gegenläufige Kurven sind mit wenig weißen geraden Wänden. Das macht das Kuratieren natürlich besonders, man schafft ein außergewöhnliches Raumgefühl. Im KIT sind jetzt sehr komplexe Rauminstallationen, und es war wirklich ein Puzzle, damit jeder einen guten Platz bekommt, wo die Arbeit funktioniert und, ganz pragmatisch, auch hin passt.
GP: Der Beton ist natürlich sehr dominant, aber wir haben über die Jahre festgestellt, dass die Arbeiten das durchaus aushalten. Das Werk, das sich am Ende befindet, wo es um Interviews und Gerichtverhandlungen geht, wird natürlich durch diese Betonecke umso dramatischer, weil sie ein bisschen auch an einen Kerker erinnert.
In einem Tunnel wird es sicher schwierig, den Besucher:innen eine Dramaturgie vorzugeben. Wie erklärungsbedürftig ist die Kunst?
GP: Gar nicht. Das sind alles sehr eindringliche Bilder. Wir starten mit einem Video, das zeigt, wie ein Körper arbeitet. Also mein Körper in mir. Von der Arbeit waren wir beide sofort fasziniert. Es gibt in der Ausstellung überhaupt sehr viele Menschen zu sehen. Man kann sich das anschauen und dann vielleicht eine Verbindung herstellen zu seinen eigenen inneren Bildern und Erinnerungen. Der Ausgang der Fragestellungen in der Ausstellung ist halt ernst, die Themen gehen in die Tiefe und es ist schon erstaunlich, dass sich so junge Künstler:innen dieser Themen annehmen.
Der Kreis der Fragen schließt sich. Was denken Sie, wie viel Angst müssen die jungen Künstler:innen vor KI haben?
JR: Gar keine. Die Kunst versucht ja immer etwas Unwahrscheinliches herzustellen, woran noch niemand gedacht hat – und soweit ich informiert bin, beruhen KI-Systeme immer auf statistischer Wahrscheinlichkeit. Und das ist ja nichts, was Unwahrscheinlichkeit herstellt.
Human Work – Junge Kunst aus Münster | 28.6. - 5.10. | KIT – Kunst im Tunnel, Düsseldorf | 0211 52 09 95 97
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