Der äthiopische Künstler Elias Sime arbeitet überwiegend mit Elektroschrott und Alltagsgegenständen. Mit „Echo“ ist im Düsseldorfer Kunstpalast seine erste Einzelausstellung im deutschsprachigen Raum zu sehen. Ein Gespräch mit Kuratorin Felicity Korn.
trailer: Frau Korn, Elias Simes Kunst besteht aus tausenden von Elektrokabeln, Mikrochips und Computer-Hardware – so können wir den Planeten vom Elektroschrott wohl nicht befreien?
Felicity Korn: Nein, leider nicht. Das ist aber auch nicht sein Ansatz. Elias Sime möchte darauf aufmerksam machen, wie viel Elektroschrott wir alle produzieren, aber auch mit welchen Geräten wir täglich umgehen – und wie sich unsere Kommunikation, das menschliche Miteinander, durch diese Technik verändert hat. Es geht ihm nicht um Upcycling, sondern um den Ursprung dieser Materialien, wo sie herkommen und wem sie gedient haben.
Den Begriff Upcycling mag er gar nicht.
Sein Ansatz ist einfach ein anderer, die Idee des Upcyclings entspricht nicht seiner künstlerischen Praxis. Sime verwendet teilweise sogar neue Kabel, wenn es die jeweilige Arbeit erfordert. Wichtig ist für ihn die Ästhetik der Kabel. Er sammelt diese über Jahrzehnte. Aus Bergen von Materialien stellt er zusammen, was für das jeweilige Werk notwendig ist – zum Beispiel achtet er auf die abgestimmten Farbtöne. Seine Arbeiten haben eine sehr hohe ästhetische Qualität.
In und neben seinen abstrahierten Luftbildern scheint seine Farb- und Formensprache sehr traditionell zu sein.
Ja, das würde ich auch sagen. Ich glaube, seine Werke erinnern uns an vieles, das wir kennen, weswegen sie auch so gut funktionieren und so ansprechend sind. Den Kombinationen aus bekannten Formen und Farbenspielen begegnen wir in vielen abstrakten Kunstwerken, aber Sime bricht das Vertraute mit dieser besonderen Materialästhetik. Er möchte, dass man Phänomene aus der Natur in seinen Darstellungen wiedererkennt. Parallel zu den Werken aus Elektroschrott arbeitet er ja mit natürlichen Materialien wie Holz oder Stein und wendet diese Applikationen aber auch auf die technischen Werkstoffe an.
Und das setzt er dann seriell um.
Genau, das serielle Arbeiten ist für Elias Sime zentral. Mit seiner Hauptserie, „Tightrope“ heißt sie, hat er schon 2009 angefangen und setzt sie bis heute fort. Die Serie wird noch einmal in Werkgruppen unterteilt, innerhalb derer er sich an jeweils eigenen Ideen abarbeitet. Manchmal ist es klar erkennbar, was der Schwerpunkt ist, manchmal ist es frei assoziierbar.
Was werden die Besucher:innen im Museum Kunstpalast zu sehen bekommen?
Die Ausstellung bietet einen chronologischen Querschnitt durch Simes Schaffen. Wir zeigen rund 50 Werke, die teilweise monumental sind, mit einer Breite von fünf bis sechs Metern. Auch Arbeiten aus seinem Frühwerk werden präsentiert, in denen er noch eine spezielle Stickerei-Technik verwendet. Zu sehen wird außerdem eines der zwei Werke sein, mit denen er auf der Biennale in Venedig 2022 weite internationale Aufmerksamkeit erlangt hat. Die damalige Ausstellung war auch die Initialzündung für unser Projekt. Im Kunstpalast werden zudem Filme zu sehen sein, um Zoma, den künstlerischen Ort, den er in Äthiopien entworfen hat, vorzustellen und den Künstler persönlich zu porträtieren. Darüber hinaus planen wir in der Ausstellung einen Werkraum, in dem die Besuchenden zusammenarbeiten, sich künstlerisch ausprobieren können. Diese Konzepte der Kollaboration und des Austausches sind Praktiken, die von Simes eigenen künstlerischen Ideen hergeleitet sind.
Man spricht da immer von Kollaboration. Wie viel Betrieb herrscht in seiner Werkstatt in Addis Abeba?
Er hat viele Assistent:innen, die an den unterschiedlichen Projekten mit ihm arbeiten. Sime ist wichtig, dass sie die Werke gemeinsam gestalten, dass jede und jeder sich mit einbringt. Er ist am Schluss derjenige, der alles zusammenführt. Seine großformatigen Werke bestehen aus einzelnen Elementen, die gar nicht so groß sind, etwa 15 mal 30 cm. Sie werden individuell bearbeitet, in dieser eigens entwickelten Flecht- und Assemblage-Technik. Obwohl viele Hände daran mitwirken, entstehen die Arbeiten stets basierend auf seinen Skizzen. Für Sime ist diese Form der Kollaboration auch der Grund dafür, dass er die Werke nicht signiert. Zwar ist er derjenige, der die Entwürfe macht und die Technik entwickelt hat, und natürlich auch derjenige, der die Arbeiten in die weltweiten Ausstellungen bringt, aber er betont immer, dass es kein Werk ist, dass er allein geschaffen hat.
Und was erzeugt in Düsseldorf das „Echo“?
Zunächst hoffe ich natürlich, dass die Ausstellung ein großes Echo finden wird. Zugleich gibt es eine Werkgruppe mit dem Untertitel „Echo“, aus der wir vier Arbeiten zeigen werden und die er während der Pandemie geschaffen hat. Es war für ihn ein wichtiger Punkt in seiner Karriere – gerade hatte er eine erfolgreiche Tournee in den USA gehabt und plötzlich war er abgeschnitten vom Rest der Welt. In den in dieser Zeit geschaffenen Arbeiten setzt er unter anderem Megafone ein und versucht sich bildnerisch Gehör zu verschaffen. Gleichzeitig bedeutet ein Echo ja auch eine Wiederaufnahme, ein Widerhall in einer veränderten oder verlangsamten Art. Genau das zeichnet für mich auch seine künstlerische Praxis aus, daher die Titelwahl.
Wie viel Ausstellungsdramaturgie und Erklärungstafeln benötigt man für Elias Simes Kunst in einem Museum?
Über die Inszenierung machen wir uns immer viele Gedanken, damit die Raumfolge zur jeweiligen Ausstellung passt. In diesem Fall wird es eine sehr bunte, freundliche Präsentation werden, so viel kann ich verraten. Wie bei uns üblich wird es Vermittlung und ausführliche Texte geben – als Angebot für diejenigen, die gerne mehr erfahren möchten. Und es erscheint der erste deutschsprachige Katalog über Elias Sime.
Elias Sime – Echo የገደልማሚቶ | 12.2. - 1.6. | Kunstpalast, Düsseldorf | 0211 56 64 21 00
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