Auf Anhieb lässt sich wohl nicht definieren, ob dieses Zeremonialschwert des Frauenstifts Essen eine Waffe oder ein Kunstwerk ist. Denn die Klinge steckt in einer goldenen Scheide, die von einem frühmittelalterlichen Goldschmiedemeister aufwendig verziert wurde. Kaiser Otto III. schenkte dieses Prunkstück im späten 10. Jahrhundert der Äbtissin des Stifts, Mathilde II.
Es ist eines von über 800 feudalhistorischen Zeugnissen in der Ausstellung „Eine Klasse für sich. Adel an Rhein und Ruhr“, zur Verfügung gestellt von Archiven, Bibliotheken, Privatsammlungen und anderen Museen. Die Symbole und Accessoires veranschaulichen oft das Selbstverständnis des Adels.
Denn wie die Texttafeln nahelegen, waren diese Exponate oft nicht von feudalen Ritualen und Netzwerken zu trennen: Zu den höfischen Festen, die der Kontaktpflege und der Zurschaustellung dienten, gehörten eben auch pickfeine Tanzschuhe oder Knickhalslaute. Mit der penibel geplanten Begräbnissen inszenierte sich der Adel für die Nachwelt.
Geopolitischer Zank
Hochinteressant sind die historischen Konfliktlinien rund um den Adel, welche die Ausstellung nachzeichnet. Zwar zeugen die vielen Burgruinen in der Region von einer präkapitalistischen Ära. Doch wie genau war diese Epoche gesellschaftlich strukturiert? In der Ausstellung erfährt man etwa, dass die Rhein-Ruhr-Region sich in verschiedene Territorien aufteilte, was nicht immer friedlich verlief: Geopolitischen Zank gab es zwischen der Grafschaft Mark und den Erzbischöfen von Köln. Bis Anfang des 19. Jahrhunderts schien die Gewaltenteilung durch das Heilige Römische Reich Deutscher Nation auch hier zementiert: Der Klerus übte die geistliche, der Adel die weltliche Macht aus. Bis Napoleons Eroberungen und seine Annexion der linksrheinischen Gebiete die Herrschaft des Adels ins Wanken brachte.
Erst die preußischen Hohenzollern stifteten eine Allianz mit der aufstrebenden Klasse der Bourgeoisie. Viele aristokratische Unternehmer und Schlotbarone habe es im Ruhrgebiet nicht gegeben, wie die Ausstellung vermittelt. Aber es gab auch prominente Vertreter wie die Familie Krupp von Bohlen und Halbach, die als eine der wenigen Adeligen in Stahl und Eisen investierte.
Selbst in der Bundesrepublik verfolgte ein Adelsvertreter, nämlich Egon Graf von Westerholt, seinen Geschäftssinn. 1967 erfüllte sich der Graf einen Traum: einen per PKW befahrbaren Löwenpark in seinem eigenen Wald – mitten in Gelsenkirchen.
Eine Klasse für sich. Adel an Rhein und Ruhr | bis 31.7. | Ruhrmuseum, Essen | 0201 246 814 44 www.ruhrmuseum.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?
Als unabhängiges und kostenloses Medium ohne paywall brauchen wir die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser. Wenn Sie unseren verantwortlichen Journalismus finanziell (einmalig oder monatlich) unterstützen möchten, klicken Sie bitte hier.
Ruhrgebilder
Pixelprojekt-Neuaufnahmen in Gelsenkirchen – Ruhrkunst 09/25
Unterwegs im virtuellen Raum
Peter Kogler im Lehmbruck Museum in Duisburg – kunst & gut 09/25
Imdahls Sehschule
50 Jahre RUB-Kunstsammlung in Bochum – Ruhrkunst 09/25
„Er fragt auch nach den Bezügen zu Europa“
Kurator Tobias Burg über „William Kentridge. Listen to the Echo“ im Essener Museum Folkwang – Sammlung 08/25
Formationen lesen
Amit Goffer im Haus Kemnade – Ruhrkunst 08/25
Appetithäppchen
Westdeutscher Künstlerbund (WKB) in Witten – Ruhrkunst 08/25
Geschichten und Gegenwart
Miriam Vlaming in der Neuen Galerie Gladbeck – kunst & gut 08/25
„Auch mal am Tresen entstanden“
Leiterin Christine Vogt über die Ausstellung zu Udo Lindenberg in der Ludwiggalerie Oberhausen – Sammlung 07/25
Realismus des Alltags
Paula Rego im Museum Folkwang in Essen – kunst & gut 07/25
Nachtspaziergang im Keller
„Light-Land-Scapes“ in Unna – Ruhrkunst 07/25
Viel zu tun
RUB-Sammlungen im MuT Bochum – Ruhrkunst 07/25
„Der Beton ist natürlich sehr dominant“
Die Kurator:innen Gertrud Peters und Johannes Raumann zu „Human Work“ in Düsseldorf – Sammlung 07/25
Die „Zweite Schuld“ der Justiz
Ausstellung zur NS-Vergangenheit des Bundesjustizministerium im Bochumer Fritz-Bauer-Forum – Ausstellung 06/25
In der Kunstküche
„Am Tisch“ und Medienkunst im Dortmunder U – Ruhrkunst 06/25
Women first!
Judy Chicago in Recklinghausen – Ruhrkunst 06/25
Gegen den Strom
Dieter Krieg im Museum Küppersmühle – kunst & gut 06/25
„Moderne Technologien werden immer relevanter“
Die Leiterin der Kunstvermittlung des ZfIL Unna, Christiane Hahn, über die neue Jahresausstellung – Sammlung 06/25
Geschichten einer Leidenschaft
Oskar Kokoschka mit den Porträts von Alma Mahler in Essen – kunst & gut 05/25
Bewegung und Berührung
Eva Aeppli und Jean Tinguely in Duisburg – Ruhrkunst 05/25
Einflüsse verschmelzen
Nadira Husain im Kunstmuseum Gelsenkirchen – Ruhrkunst 05/25
„Der Zweifel ist wach zu halten“
Direktor Nico Anklam über die Ausstellung der Ruhrfestspiele 2025 in der Kunsthalle Recklinghausen – Sammlung 05/25
Muster im Dunkeln
„Holding Pattern“ im Dortmunder U – Ruhrkunst 04/25
Notfalls gepunktet
Gritli Faulhaber in Essen – Ruhrkunst 04/25
Der Mensch in prekären Zeiten
„We“ im Kunstmuseum Mülheim – kunst & gut 04/25
„Was Handwerk und was Kunst ist“
Co-Kurator Markus Heinzelmann über „Das halbe Leben“ im Bochumer Museum unter Tage – Sammlung 04/25