Seit dem Start der Netflix-Serie „Aufräumen mit Marie Kondo“ ist auch hier ein Hype um die japanische Aufräumberaterin entbrannt. Kondo geht darin in überfrachtete Buden und mistet aus. Ihre als Kondomari bezeichnete Methode beinhaltet beispielsweise den Trick, einen Gegenstand in die Hand zu nehmen und zu prüfen, ob er glücklich macht. Falls nicht: weg damit! Kondo steht so symbolisch für das Versprechen, mit weniger Kram viel glücklicher zu sein und ist Teil der Erzählung vom simplifizierten, besseren Leben.
Auch beim 5. Gelsenkirchener Erzählfrühling steht die Frage nach einem glücklicheren, gelingenden Leben zur Debatte. Exemplarisch zeigt sich das am Märchen „Hans im Glück“: Verliert der Depp nun alles oder ist der Verlust des Materiellen gar der Weg zur wirklichen Zufriedenheit? An der Sammelwut der Gebrüder Grimm wäre jedenfalls selbst Marie Kondo gescheitert, zum Glück für uns. Gabi Altenbach und Katharina Ritter – die als Schwestern Grimm auftreten – haben als einzige alle 200 Grimm‘schen Märchen frei erzählt. Auch in Gelsenkirchen werden sie weit über die bekannten Geschichten wie die von „Rotkäppchen“, „Rapunzel“ oder „Der Wolf und die sieben Geißlein“ hinausgehen und zeigen, dass die Gebrüder Grimm neben gruseligen Horror-Stories auch wahrlich schöne Märchen gesammelt haben. An die Urform menschlichen Geschichtenerzählens, die wohl als Sitzkreis um ein Feuer begonnen hat, knüpft die Reihe „Die Wohnzimmer der Stadt“ an: Sechs GelsenkirchenerInnen öffnen ihre privaten Stuben einem erzählendem Gast und dem Publikum. Genau das Gegenteil verfolgt das Konzept „Hör mal, die City!“, das Geschichten für Jung und Alt auf vier Erzählbühnen in die Stadt bringt. Unter dem Titel „Die Halqua von Babylon“, womit im Arabischen ein Erzählkreis gemeint ist, treffen NachwuchserzählerInnen zusammen, um auf Deutsch, Türkisch, Arabisch oder Russisch ihre Lieblingsgeschichten zu teilen.
Egal ob in den Stadtteilbibliotheken, auf Schloss Horst oder im Kulturraum die flora – wer den Erzählfrühling besucht, hat garantiert mehr zu erzählen als nach einer ganzen gebingewatchten Staffel „Aufräumen mit Marie Kondo“.
Erzählfrühling 2019 | 28.4. - 19.5. | Consol Theater Gelsenkirchen | www.consoltheater.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Stimmungsvolles Fabulieren
„Shamrock!“ im Consol Theater in Gelsenkirchen – Bühne 02/21
Ein spätes Sommermärchen
Das Erzählfestival in Gelsenkirchen – das Besondere 09/18
Noah baut ´ne neue Arche
WILDwest: 4. Seniorentheatertreffen NRW in Gelsenkirchen – Prolog 05/18
Märchen für alle
Premiere von „Märchen von einem der auszog und einer die rausflog“ am 22.4. im Consol Theater Gelsenkirchen
Wut macht erfinderisch
Ein Urgefühl im Gelsenkirchener Consol-Theater – das Besondere 03/17
Das Wesen der Flüssigkeiten
Kritische Kinderstücke zum Advent – Prolog 11/16
Alice im Theaterlaboratorium
Westwind: Theatertreffen NRW für junges Publikum – Prolog 04/16
Bruchstücke
Performance & Artisttalk zu „Home away from home“ in Essen – Bühne 02/21
Die Toten zum Verwesen freigegeben
„Antigone. Ein Requiem“ im Theater an der Ruhr in Mülheim – Bühne 02/21
Wider das Mechanistische
„LandScaping 0.1“ im Maschinenhaus in Essen – Bühne 02/21
Von Sophokles zu Frontex
„Antigone. Ein Requiem“ im Theater an der Ruhr in Mülheim – Bühne 02/21
Das langsame Ende eines schnellen Anfangs
„Squash“-Premiere in Bochum – Bühne 02/21
Zuhören, um die Zukunft zu retten
Radiomärchen zum Mitmachen: „Hurly*Burly“ von Paradeiser – Spezial 01/21
„Eine Leerstelle in der europäischen Demokratie“
Philipp Preuss über „Europa oder die Träume des Dritten Reichs“ in Mülheim – Premiere 12/20
Das Rascheln als Prinzip
Ulrich Greb inszeniert im Moerser Einkaufzentrum Kafkas „Process“ – Auftritt 12/20
„Eine neue Form von Stadtgesellschaft“
Anna Bründl über die Theaterallianz vier.ruhr – Interview 12/20
Rache für den Gedankenstrich
„Marquise von O…“ in der Essener Casa – Auftritt 11/20
Die Träume des Dritten Reichs
Lars von Triers „Europa“ in Mülheim – Bühne 11/20
Im emanzipatorischen Maschinenraum
Mette Ingvartsens „Moving in Concert“ auf Zollverein – Bühne 11/20
„Das Stück zur Stunde“
Jens Dornheim inszeniert in Dortmund „Der Reichsbürger“ – Premiere 11/20
Reißen am Korsett
„Bye, Bye Hochkultur“ von Familie Rangarang – Bühne 11/20
Der schwierige Wind der Freiheit
Festival Westwind in NRW – Prolog 11/20
„Ohne euch geht es nicht!“
Ballettintendant Ben Van Cauwenbergh über die neue Spielzeit in Essen – Interview 10/20
Die Kunst, immer mit Dreck zu schmeißen
„King Lear“ in Bochum – Auftritt 10/20