Als einer der wenigen, die noch traditionelle Kartenspiele beherrschen, fiel mir natürlich als Erstes das Stück „Supertrumpf“ auf: Nicht, weil es in traditionellen Kartenspielen so etwas nicht gibt, sondern weil der Titel mich neugierig machte. Das Gewinnerstück des Kathrin-Türks-Preises 2014 stellt auf bedächtige Weise die kleine, gesunde Schwester in den Mittelpunkt einer Familienkrise, die heute wohl häufig die Gemüter bewegt. Lou, die Gesunde, ist Weltmeisterin im Warten und Weltmeisterin mit den Karten. Denn immer wenn ihre Eltern die ältere Schwester in der Klinik besuchten, spielte sie mit den Pflegern das Kartenspiel. Jetzt ist die magersüchtige Maja wieder zu Hause und Lou fühlt sich ständig übergangen. Zu sehen ist die Inszenierung der Burghofbühne Dinslaken in den Herner Flottmannhallen beim Westwind-Festival.
Das ist bundesweit eines der renommiertesten Theaterfestivals für junges Publikum und wird jedes Jahr von einem anderen NRW-Theater ausgerichtet, mit einem umfangreichen Programm, mit internationalen Gastspielen und Workshops, Diskussionen und Gesprächen. In diesem Jahr findet es am Consol Theater in Gelsenkirchen in Kooperation mit dem theaterkohlenpott in Herne statt. Viel Arbeit, viel Logistik: Auch Kinder- und Jugendtheater brauchen davon nicht weniger als andere Bühnen. Aber es lohnt sich. Die Auswahl der Stücke fiel sicher nicht leicht, wer abgelehnt wurde, kann das ja beim Kaffeeklatsch mit der Jury im April zum Anlass nehmen, die ein oder andere leckere Torte zu werfen, ansonsten ist die Vielfalt und Qualität der Kinder- und Jugendtheater in NRW beim 32. Theatertreffen ganz sicher zu sehen.
Da gibt es die Stückentwicklung für Kinder ab zwei Jahren: „Mit dir zusammen“, inszeniert vom interdisziplinär arbeitenden freien Theater monteure aus Köln. Aber auch die Bearbeitung klassischer Vorlagen ist noch nicht aus der Mode gekommen. Beispiel „Antigone“ vom freien Theater HELIOS aus Hamm für Jugendliche ab 15 Jahren oder auch „Alice im Wunderland“ in einer Inszenierung des Schlosstheaters Moers für Kinder ab acht. So richtig rocken tun auch zeitgenössische Theaterstücke wie „Co-Starring“ des niederländischen Theaterautors Theo Fransz in einer Inszenierung des Schauspielhauses Bochum für Jugendliche ab zwölf. Das Stück ist hart an der Grenze dessen, was Smartphone-tragende Jugendliche als Zuschauer heute noch real ertragen können. Im Rahmenprogramm – also auch nicht im Wettbewerb um die Preise und die NRW-Stipendien – werden fünf herausragende Inszenierungen aus Europa und je eine Inszenierung der beiden gastgebenden Theater gezeigt. Darüber hinaus sind TheatermacherInnen aus Mexiko, Schweden, Südafrika, England, Tschechien, Ägypten und Österreich im Ruhrgebiet zu Gast. Immer schon setzte man beim Westwind-Festival auf Begegnungen auf Augenhöhe zwischen KünstlerInnen und ZuschauerInnen, gemeinsam werden die Themen der Festival-Aufführungen diskutiert und analysiert.
Westwind 2016 | 23.-29.4. | Consol Theater Gelsenkirchen u. Theater Kohlenpott Herne | www.westwind-festival.de
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