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„Die Leiden des jungen Werther“
Foto: Martin Möller

„Wir machen Theater für die Menschen hier“

28. Januar 2016

Andrea Kramer und Georg Kentrup vom Consol Theater über die Festivals westwind und WILDwest – Premiere 02/16

Das Consol Theater liegt auf dem ehemaligen Zechengelände Consolidation in Gelsenkirchen-Bismarck. Seit der Eröffnung im Jahr 2001 hat sich das Haus zu einem lebendigen Theaterhaus mit einer großen Verantwortung für die kulturelle Bildung und das soziale Miteinander von Menschen entwickelt. trailer sprach mit dem künstlerischen Leitungsduo Andrea Kramer und Georg Kentrup über die ersten Highlights 2016.

trailer: Wir haben zwar Schnee, doch es geht schon um den Frühling: Organisatorisch ist das 32. westwind-Festival doch sicher schon ein Thema?
Georg Kentrup (GK): Ja, das ist bereits ein großes Thema. Vor allen Dingen wegen der Kooperationen, die wir in diesem Zusammenhang eingehen. Wir richten das Festival ja mit dem Theater Kohlenpott in Herne aus und sind fast schon ein dreiviertel Jahr daran unsere Schwerpunkte und das was uns interessiert abzustimmen, auch die Jury ist noch sehr fleißig unterwegs. Dazu gibt es sehr viel an Planungen, die gerade passieren: Anfragen für kulturpolitische Gespräche, das Rahmenprogramm wird zusammengestrickt und wir arbeiten am roten Faden für die Gäste aus NRW, aber auch für ein internationales Besucherprogramm. Denen wollen wir natürlich auch ein bisschen unser Ruhrgebiet zeigen.

Das ist aber eher ein touristisches Angebot.
GK: Ja, aber es stellen sich doch auch die Fragen: Für wen machen wir hier eigentlich Theater und was sind das für Orte, an denen wir Theater machen? Es sind die Menschen, mit denen wir hier zusammen und für die wir hier Theater machen. Diese Begegnung wollen wir in den Festivalverlauf einbinden. Es wird dafür eine Bootsfahrt geben auf dem Rhein-Herne-Kanal zwischen Gelsenkirchen und Herne und wieder zurück. Wir wollen auch symbolisch zeigen, dass wir die Gäste mitnehmen und nicht nur Theater schauen wollen, und ihnen darüber hinaus was von der Region zeigen.

Zu sehen sind die zehn bemerkenswertesten Inszenierungen für ein junges Publikum in NRW. Gibt es denn überhaupt so viele?

Andrea Kramer
Foto: Dominik Lenze
Zur Person

Andrea Kramer, im Schwarzwald geboren, ist seit 2001 Regisseurin für Kinder- und Jugendtheaterinszenierungen am Consol Theater. 

Georg Kentrup, aufgewachsen im Münsterland, ging zum Studium der Theaterwissenschaft, Kunstgeschichte und Philosophie nach Mainz und Paris. Berufsbegleitend machte er 2012 sein Diplom als Kultur- und Medienmanager.


Andrea Kramer (AK): Wir hatten 50 Bewerbungen und sind immer noch dabei, die alle zu besuchen. Erst in drei Wochen werden wir fertig sein mit der Sichtungsreise. Dann werden wir allerdings zehn bemerkenswerte Inszenierungen ausgewählt haben.

Gibt es denn Premieren in 2016, die noch berücksichtigt werden?
AK: Wir sichten seit September, also seit Beginn der Spielzeit. Es ist ja auch nicht so, dass die Stücke regelmäßig bei den Theatern im Repertoire laufen. Die haben auch ihre Blöcke und spielen das dann Monate erst mal nicht. Premieren also nicht unbedingt, aber wir sichten noch.

Nach den Schülern kommen im Consol Theater die Rentner zu ihrem Festival. So wild kann der Westen aber doch nie gewesen sein, oder?
GK: Auch für das Festival WILDwest 2016 sind wir in der Planung, auch was die Werbung angeht. Da haben wir lange darüber nachgedacht, was eigentlich die Relevanz des Seniorentheaters für den Rest der Gesellschaft sein könnte. Diese Frage wird sich auch in der Werbung ein Stück weit widerspiegeln. Die ganze Seniorentheaterszene ist dafür angetreten, sie wächst weiterhin. Auch mit dem Gedanken, dass man noch lange nicht fertig ist, dass man noch eine ganze Menge zu sagen hat. Im Rahmen dieses Festivals und auch darüber hinaus im Arbeitskreis der Seniorentheater wächst ein Selbstverständnis in vielen eigenen Theatern, die teilweise auch angebunden sind an die professionellen Strukturen von Stadttheatern oder Freien Häusern oder vielen kleineren Theatern, die auch Amateurtheatergruppen haben. Um genau diese Begegnungen geht es auch bei dem Festival.

Gibt es da überhaupt eine Abgrenzung zum ehemaligen Laientheater, der Laienspielschar?
GK: Der Unterschied ist vor allen Dingen, dass es oft um Stücke oder Themen geht, die selbst weiterentwickelt und von den Seniorentheatern nochmal ganz anders aufgebrochen werden. Was auch etwas ausmacht, ist, dass es einfach ein professionelles Umfeld gibt. Wir arbeiten hier im Consol Theater auch im Umfeld professionell mit den Senioren. Das betrifft die Bereiche Regie, Dramaturgie oder auch Ausstattung und so geht das eigentlich einen Schritt weiter als bei einer normalen Laienspielgruppe. Gleichzeitig gibt es genau da die Berührungspunkte. Dass eben diese Gruppen oft nach wie vor von ihren Bekannten, Verwandten, Freunden angeschaut werden und nur ganz selten ein völlig freies Publikum sich diese Inszenierungen anschaut. Da gibt es Gegenbeispiele – wie das Freie Werkstatt Theater Köln beispielsweise, das seit vielen Jahren dabei ist. Das hat wirklich die Sparte Seniorentheater vorangetragen, was einmal an der sehr biografischen Arbeit und an dem liegt, was sie über viele Jahre gemacht haben. Diese Entwicklung geht gerade wieder vonstatten – und die begleiten wir ein Stück weit auch mit.

Die Seniorentheater müssen sich jetzt bewerben, ist das neu?
AK: Nein, das ist nicht neu. Das war eigentlich immer schon so, man bewirbt sich im Internet mit seinen Unterlagen und man wird dann gesichtet. Auch die Jury hier besteht aus drei Personen.

GK: Gleich ist auch der Gedanke eines Arbeitstreffens. Letztlich ist das WILDwest ein bisschen auch eine Folge von westwind. Denn was da richtig gemacht wurde, in der Kinder- und Jugend-Szene, das Miteinanderarbeiten, das Sich-Treffen, das wollten wir für das Seniorentheater eben auch nutzen. Auch dieses gegenseitige Schauen und Sich-Weiterqualifizieren und darüber diskutieren.

Ich bin über die Formulierung „die ganze Bandbreite des Theaterschaffens Älterer“ gestolpert. Bezieht sich das Theaterschaffen Älterer nicht immer nur auf Schauspielerei?
AK: Sie meinen, die Älteren stehen immer nur als Darsteller auf der Bühne? Das unterschreibe ich so nicht. Bei uns im Haus ist es so, dass der Stab, also das Regieteam, aus dem Kreis der Berufstätigen kommt. Wobei bei uns – und das ist bei vielen Seniorentheatern so, die Senioren auch als Autoren auftreten. Das heißt, dass sie ihre eigenen Stückentwicklungen machen. Und ansonsten suchen wir natürlich nach Professionellen. Also wenn man Seniorentheater sagt, fasst man damit die Bürger zusammen, die Amateure, die Liebhaber. Dann gibt es bei einigen Theatern eben auch den professionellen Stab, die das Metier gelernt haben. Die das Knowhow haben, die Mittel, die Infrastruktur für so eine Produktion haben. Also ich kann es eigentlich doch bedingt unterschreiben, aber sicherlich nicht bei allen Theatergruppen. Es gibt auch solche, die sich selbst promoten, die dann kein festes Haus haben, aber die selbst inszenieren, wo es aus der Gruppe heraus Regisseure, Ausstatter gibt. Bei uns am Haus ist das nicht so.

GK: Und das ist ja auch eine Szene, die wirklich noch sehr jung ist. Aber so was entsteht bestimmt noch. Genauso wie es immer mehr Anfragen gibt, von Seniorinnen und Senioren, die bisher nur auf der Bühne stehen, aber jetzt sagen, irgendwie wäre das andere für mich auch interessant. Dafür braucht es diesen Qualifizierungsschritt zum Spielleiter oder was auch immer. Auch das wollen wir voranbringen. Da bin ich auch sehr gespannt, was da in 20 Jahren für eine Entwicklung zu sehen sein wird.

Die nächste Premiere am Consol Theater ist „Die Leiden des jungen Werther“ von Johann Wolfgang von Goethe. Warum?
AK: Werther behauptet die radikale Subjektivität seiner Liebe, ungeachtet der wirklichen Zustände. Ungeachtet des Verhaltenskodexes, den es in jeder Zeit gibt, behauptet er, die Liebe ist unumstößlich und subjektiv. Das ist schon der Grund. Ich finde das wunderbar, das in unsere Zeit zu setzen.

Aber das Ende mit dem Selbstmord ist ja nun nicht gerade prickelnd.
AK: Ja.

Und in unserer Zeit absolut überflüssig.
AK: Sich umzubringen? Aus Liebe? Also ich finde es immer schade, wenn ein Mensch sein Leben wegwirft. Das kann ich unterschreiben.

Es ist ja eine Bearbeitung von Goethes Brief-Roman – was wurde bearbeitet?
AK: Also wir belassen die epische Form des Briefwechsels. Es wird nicht dramatisiert mit mehreren Rollen. Es ist ein Monolog und wir werden das noch bearbeiten, das entsteht dann auf den Proben. Im Wesentlichen wird es aber nur eine Kürzung geben, es wird nicht vom Text her aktualisiert, aber es ist ein Discjockey dabei, der die Musik reitet. Das heißt, er ist auf einem Fahrrad und die ganze Musik wird auch dadurch entstehen, dass er Fahrrad fährt.

„Die Leiden des jungen Werther“ | Sa 12.3.(P) 19 Uhr, Di 15.3. 15 Uhr | Consol Theater Gelsenkirchen | 0209 988 22 82

westwind 2016 | 23.-29.4. | www.westwind-festival.de

WILDwest 2016 | 16.-19.6.

INTERVIEW: PETER ORTMANN

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