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Katalina Orlovits (1796-1798), Ungarn
Foto: Gustav-Lübcke-Museum Hamm

Wie Schneewittchen im gläsernen Sarg

25. Januar 2018

„Mumien – Der Traum vom ewigen Leben“ in Hamm – Kunstwandel 02/18

Durch einen blickdichten Vorhang führt die Reise im Gustav-Lübcke-Museum in Hamm zu den nicht verwesenden Überresten, die Faszination und Unbehagen in westlichen Kulturen gleichermaßen generieren. Mumien sind nicht nur Zeugnisse eines Traums vom ewigen Leben, sie haben sich durch Hollywood-Blockbuster auch „lebendig“ in unsere Köpfe gewoben, wie es schon Vampire oder Aliens geschafft haben. Das Interesse für Mumien ist seit der Entdeckung von Ötzi im tauenden Permafrost noch einmal gestiegen, doch wenn man ihnen so nahe kommt wie in der Sonderausstellung in Hamm, dann ist das Unbehagen bei vielen Besuchern zu spüren. Da liegen in Vitrinen menschliche Körper, die ihr Aussehen zwar eklatant verändert haben, aber doch einst Hüllen für Seele und Geist waren. „Mumifizierung“ ist ein weltweites Phänomen und kein Alleinstellungsmerkmal ägyptischer Dynastie. Vor 30 bis 40 Tausend Jahren machte das Eis die Körper zu immer noch ansehnlichem Trockenfleisch, das ausgestellte komplette Mammutbaby Dima zeigt das eindrücklich, selbst Haare haben die Paläontologen entdeckt. Haut und Hornreste sind da häufiger. Aber auch in unserer direkten Umgebung, meist in leer stehenden Bauwerken findet diese Mumifizierung durch Wind und Wetter statt. Die nächsten Vitrinen zeigen dem Museumsbesucher Ratten, Eichhörnchen und eine Hauskatze.

Erste menschliche Körper entdeckt man beim spannenden Rundgang bei den Moorleichen, die auch in Deutschlands Norden gefunden wurden. Hier ist aber das „Paar van Weerdinge“ zu sehen, zwei Männer, die 1904 im niederländischen Bourtanger Moor beim Torfstechen gefunden wurden. Beim ebenfalls in den Niederlanden entdeckten „Mädchen von Yde“ (1897 in dem Moor Stijfveen) hat man eine dreidimensionale Kopf-Rekonstruktion vorgenommen, die in der Ausstellung zu sehen ist und sehen lässt, wie jung die blonde Frau bei ihrem Tod gewesen ist. Aus dem Nachbarland kommt auch die lebensgroße chinesische Buddha-Statue, die rund tausend Jahre alt sein soll. In ihrem Innern befindet sich ein selbstmumifizierter Mönch, der so den Weg ins Nirvana gesucht hat. Laut neuesten Studien soll es sich um den buddhistischen Meister Liuquan handeln und – ich bin ganz ehrlich – mich hat die Angabe „Privatsammlung“ ziemlich erschüttert.

Aber jetzt geht’s endlich nach Ägypten, Mumien von Männern und einem dreijährigen Kind wie Schneewittchen im gläsernen Sarg, mumifizierte Tiere, Kanopen und ein paar noch bandagierte Köpfe lassen ahnen, welchen Stellenwert diese Hochkultur am Nil ihrem nächsten Leben gaben. Aber wie schon erwähnt, sie sind nicht die einzigen. Auch in Ozeanien und Südamerika war die Technik der Körpererhaltung bekannt und auch in Europa liegen Mumien (nicht nur Lenin) in Kirchen und Klöstern herum. Seit 1633 lassen sich die Habsburger in der Wiener Kapuzinergruft bestatten – wohl ein sicherer Weg nach magischer Hexen-Erweckung wieder die Weltherrschaft anzugehen. Im letzten separaten Raum liegen vier gläserne Sargvitrinen mit drei (heiligen) Nonnen, mal ohne Herz, mal mit zwei fehlenden Fingern und einem Kind. Katalina Orlovits starb mit zweieinhalb im ungarischen Vac an TB, wurde in der Krypta der Dominikanerkirche beigesetzt und so natürlich mumifiziert.

Mumien – Der Traum vom ewigen Leben | bis 17.6. | Gustav-Lübcke-Museum Hamm | 02381 17 57 14

PETER ORTMANN

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