Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
25 26 27 28 29 30 31
1 2 3 4 5 6 7

12.554 Beiträge zu
3.784 Filmen im Forum

Arthur Borghard, Bauerngehöft am Kornfeld, um 1910, Öl auf Leinwand, 81 x 119 cm, Museum der Havelländischen Malerkolonie
© Nachlass A. Borghard

Natürlich die Landschaft

26. Januar 2017

Norddeutsche Künstlerkolonien im Gustav-Lübcke-Museum in Hamm – kunst & gut 02/17

Es beginnt schon wunderbar. Die Ausstellung „Lieblingsorte – Künstlerkolonien“ setzt mit den Gemälden von Fritz Overbeck, Heinrich Vogeler, Otto Modersohn und Paula Modersohn-Becker die bekanntesten, aber auch bedeutendsten Werke an den Anfang. Die Maler aus Worpswede gehören zum „Best of“ der realistischen Kunst um 1900 in Deutschland. Auf Initiative von Fritz Mackensen wurde die Künstlerkolonie 1894/95 am Teufelsmoor, nördlich von Bremen gegründet: als Ort der Zurückgezogenheit in der Landschaft und der Verbundenheit mit der Natur. Zwar löste sich die Künstlervereinigung 1899 wieder auf, aber die Künstler blieben dort, weitere kamen hinzu, und bis heute gilt Worpswede als Entwurf einer geglückten Künstlerkolonie. Voraussetzung dafür war die allgemeine Akzeptanz eines Realismus, der sich frei von symbolischen Zuschreibungen an einem Stück Natur ergötzte, und – ganz praktisch – die Erfindung der Farbtube. Mit ihr wurde das Malen in der Landschaft überhaupt erst möglich. Vorbild war die Malerkolonie von Barbizon, die Mitte des 19. Jahrhunderts am Wald von Fontainebleau tätig war. Gegründet von Théodore Rousseau, arbeiteten hier zeitweise Corot, Courbet und Millet. Die Künstler zogen der akademischen Lehre die unmittelbare Nähe zur Natur vor. Ihr Interesse galt dem atmosphärischen Wechsel der Jahres- und Tageszeiten, wahrgenommen in der unabgelenkten Beobachtung, im Festhalten des Augenblicks. Dies war eine Voraussetzung für das Entstehen des Impressionismus.

Wie beliebt der Typus der Malerkolonie um die Jahrhundertwende in Deutschland war, verdeutlicht nun die Ausstellung im Gustav-Lübcke-Museum in Hamm. Sie stellt sieben Gemeinschaften aus dem überwiegend norddeutschen Raum mit ihren Lieblingsorten zum Malen vor. Unterstützt von heutigen Fotografien wird gezeigt, wie aufmerksam sich die Maler den lokalen Gegebenheiten widmeten. Zugleich klärt die Ausstellung, was die Künstlerkolonien verbindet: Sie ermöglichen Ruhe und Abgeschiedenheit, ja, Entschleunigung gegenüber dem zunehmenden Tempo der Großstadt, der die meisten der Künstler selbst entstammten und in die sie mit dem Zug schnell zurückfahren konnten – auch das war eine Überlegung, ebenso dass das Leben in den Dörfern billiger als in der Stadt war. Die Landschaft war vor allem aber Anlass und Absicht beim Malen: Die Künstler studierten das Lichtspiel auf dem Wasser und widmeten sich der Vegetation am Ufer, sie schauten zurück auf das Dorf und seine Gehöfte, beobachteten die Nutztiere oder schweiften in ihrer Malerei in die Ferne und zeigten die Bewirtschaftung der Felder unter einem tiefliegenden Himmel. Das Tageslicht kehrt im Leuchtenden – oder Stumpfen – der Farben wieder. Menschen selbst sind auf diesen Bildern kaum zu sehen. Ein verbreitetes Motiv sind die Segel der Schiffe, dort wo es ein Gewässer gab.

Dr. Friederike Daugelat
Foto: privat

Die Kuratorin

Dr. Friederike Daugelat (*1976) war 2013-16 Direktorin des Gustav-Lübcke-Museums und ist nun Referatsleiterin in der Kulturabteilung des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL). Zuvor war sie im Norden tätig und leitete 2007-10 das Bremer Overbeck-Museum.


So leitet diese Ausstellung von Ort zu Ort, wobei jede der Dorfgemeinschaften ihre eigene Geschichte und ihre Eigenheiten besitzt. Übrigens differiert auch das Niveau der Kunst, vereinzelt ist diese nicht frei von Kitsch. Sehr bekannt sind Ahrenshoop, wo Paul Müller-Kaempf eine Malschule gründete, und Hiddensee, wo besonders viele Frauen tätig waren. Auch das ist ein Aspekt der Kolonien: In den Städten als Künstler noch längst nicht anerkannt, sind die Malerinnen hier selbstverständlicher Teil der Künstlergemeinschaft. Abseits aller Hintergründe und Kontexte gibt es im Gustav-Lübcke-Museum dann aber auch einfach spannende, fortschrittliche Bilder zu sehen, etwa den „Herbstgarten“ (1903) von Otto Modersohn oder den „Regenbogen“ (1924) von Rudolf Bartels. – In all das Erfreuliche dieser Ausstellung mischt sich allerdings Bedauern: Erst vor wenigen Jahren als Direktorin und Kuratorin nach Hamm gekommen, hat Friederike Daugelat das Museum jetzt wieder verlassen. Wir hätten gerne mehr Ausstellungen von ihr gesehen.

„Lieblingsorte – Künstlerkolonien“ | bis 21.5. | Gustav-Lübcke-Museum Hamm | 02381 17 57 14

THOMAS HIRSCH

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Chantal im Märchenland

Lesen Sie dazu auch:

Musik für alle
Interaktiv im Gustav-Lübcke-Museum

Aus der Geste und mit dem Licht
Hans Kaiser in zwei Ausstellungen im Gustav-Lübcke-Museum Hamm
 – kunst & gut 08/22

Vielseitig in der Kunst
Die Künstlerin Heide Drever in der Artothek im Museum Hamm

In der Verlängerung beginnen
Museen zwischen öffnen und schließen – Kunst in NRW 02/21

Sehen, Sehen, Sehen
Die Brüder Viegener im Gustav-Lübcke-Museum – kunst & gut 08/19

Auf der Fläche in den Raum
Günther Zins in Hamm – Ruhrkunst 01/19

Wie Schneewittchen im gläsernen Sarg
„Mumien – Der Traum vom ewigen Leben“ in Hamm – Kunstwandel 02/18

Geordnete Verhältnisse
Sammlung Lübcke in Hamm – Ruhrkunst 10/17

Vom Funktionieren einer Stadt
Die Römer in Hamm – Kunst in NRW 08/16

Weites Land
Meisterwerke der skandinavischen Malerei im Gustav-Lübcke-Museum in Hamm – kunst & gut 12/15

Vielerlei Menschen
Der Expressionismus in Hamm – Ruhrkunst 02/13

Vom Menschen
Frank van Hemert stellt im Gustav-Lübcke-Museum in Hamm aus - Ruhrkunst 07/11

Kunst.

Hier erscheint die Aufforderung!