Das Museum für Kunst und Kulturgeschichte in Dortmund gehört zu den bedeutenden Museen mit einer Sammlung kunsthistorischer Meisterwerke, also mit Malereien und Skulpturen, die Realismus mit Symbolkraft verbinden. Daneben sind im Erdgeschoss Wechselausstellungen mit zeitgenössischer Kunst zu sehen. René Schoemakers, 1972 geboren in Kleve und heute in Kiel ansässig, stellt hier jetzt aus, und seine Malerei schließt in ihrer handwerklichen Perfektion, der Klarheit der Bildsprache bei gleichzeitiger Verschlüsselung wie selbstverständlich an die Meisterwerke der alten Künstler an. Hinzu kommt jedoch eine Doppelbödigkeit, ja, Provokation, die ganz den Nerv der Gegenwart trifft und bei aller Sachlichkeit und Ordnung aufrührerisch und gar nicht lieb ist.
Schoemakers ist ein kritischer Künstler, der in voller Absicht das Medium der Malerei und, zur Verdeutlichung, den Realismus als Stil gewählt hat. Überwiegend zeigt er Menschen – vereinzelt, oft vor neutralem Hintergrund – die Augenkontakt zum Betrachter aufnehmen. Aber verbirgt nicht jedes Porträt, was sich im Kopf abspielt? Also, wie kann man als Künstler rechte Gewalt darstellen, ohne plakativ zu wirken? Schoemakers gibt dem kranken Wahnsinn Kostümierungen. Die Irritation beginnt in seinen Bildern damit, dass es sich bei den Modellen meist um den Künstler und seine Ehefrau handelt, die in Rollen schlüpfen und in diesen eine zerstörerische Energie darstellen oder stattdessen diese befragen. Die Frau ist mitunter nackt, der Maler ebenso, oder sie tragen Maskeraden, Uniformen, in denen sie posieren, bis hin zum rosaroten Panther, der blutverschmiert auftritt. Oder ein Lebkuchen-Häuschen steht auf einem Tisch vor der Frau. Die Haare streng gescheitelt und das Gesicht mit roter Farbmasse bedeckt, scheint sie mit dem Rauch aus Zuckerguss zu spielen. In einem anderen, querformatigen Gemälde, das im Mittelteil eine Piktogramm-Figur als Brandmalerei auf Holz zeigt, bedroht eine Gruppe improvisiert gebastelter Spielzeug-Männchen eine weibliche Plastikpuppe, deren blonde Haare in Flammen aufgehen. Der Bildtitel: „Dystopia VI (Die Horde)“.
„Weltgeist“, der Titel der Ausstellung, bezieht sich auf Hegels Essay „Die absolute Freiheit und der Schrecken“ und wirkt hier als eine Offenlegung menschlichen Verhaltens in der heutigen Zeit, in der alle Möglichkeiten des Guten, aber auch des Bösen zur Verfügung stehen. Der „Weltgeist“ zieht seine Kreise, umfängt von allen Seiten den Betrachter, äußert sich an der Ausstellungswand zudem textlastig, und schließlich ist die ganze Ausstellung als Installation inszeniert; zum künstlerischen Konzept gehört der Katalog.
Beim Rausgehen gerät der zunächst übersehene Postkartenständer in den Blick. Und schon halb draußen, an der Theke, befindet sich noch ein solcher Ständer wie für die Aufnahme von Flyern, und ja, die Postkarten (die nirgendwo den Hinweis auf den Künstler enthalten) darf man mitnehmen: Sie zeigen auf rotem Grund Sprachspiele, die mittels Buchstabenverschiebungen Rechtsextremismus und Dummheit entlarven. Es ist ganz einfach, nur nicht in der Welt, und deshalb auch nicht in den Bildern von René Schoemakers.
René Schoemakers - Weltgeist | bis 9.1. | Museum für Kunst und Kulturgeschichte | 0231 502 60 28
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