Bauplanen müssen darüber gespannt werden – über die ersten drei Reihen, genauso wie über die hinteren. Und natürlich bedecken diese auch die Bühne, auf der nur weiße Plastikstühle stehen. Nur langsam tasten sich Gina Haller und Jing Xiang in ihren Schutzanzügen voran. Als Wissenschaftlerinnen betreten sie einen Planeten, der kontaminiert zu sein scheint – und zwar von Spuren alter Geister, die jetzt auch von den zwei Forscherinnen Besitz ergreifen. Denn plötzlich spucken sie Worthülsen aus, die kategorisieren, degradieren und diskriminieren: „Ich bin ja kein..., aber...“. Oder es durchzuckt gleich den Körper: „weiß, weiß, weiß, weiß...“ Schnell decken sie die Fläche wieder zu reißen sich ihre Anzüge vom Körper, als wären die Klamotten verseucht.
Julia Wissert schickt in „2069 – Das Ende der Anderen“ diese zwei Forscherinnen zu einem fremden Planeten, der im Jahr 2019 aufhörte, in seiner bisherigen Form zu existieren. Von Jugendlichen haben sie den Auftrag erhalten, eine neue Welt aufzubauen: eine ohne Ausgrenzung und Diskriminierung.
Das ist die Ausgangskonstellation von Wisserts afrosurrealistischer Inszenierung, die der Gegenwart die Vision einer Zukunft entgegenhält. Gemeinsam mit jugendlichen People of Color hat sie in einer Textwerkstatt das Stück entwickelt. Obwohl sich der knapp einstündige Abend um komplexe Themen wie Rassismus, Critical Whitness oder Empowerment dreht, entpuppt sich das Ergebnis in keiner Minute als abstrakt oder pädagogisch, obwohl es als Science-Fiction-Theaterstück für Jugendliche und Erwachsene präsentiert wird.
So rauschen zunächst unverständliche Stimmen und elektronische Laute, die dann einen dröhnenden Soundteppich entfachen. Als wäre es ein Sturm der alten Geister, dem sich Gina Haller und Jing Xiang hier entgegenstemmen müssen. Julia Wissert lässt den Theaterraum in ein Meer aus Nebel und Licht tauchen. Die Erfahrung, durch fremde Blicke zerschnitten zu werden, aus privilegierten Positionen zum Anderen degradiert zu werden, wird sinnlich veranschaulicht.
Aber dieser Nebel weicht schließlich einer anderen Welt. Auf die alte Welt blicken die Jugendlichen, die an dem Stück mitwirkten, auf der Leinwand zurück: „Wir sind die Zukunft. Alles musste eingeordnet werden.“ Verbannt scheinen die Dämonen der alten Welt, die sich zuvor noch sprachlich manifestierten.
Bei der Ankunft auf diesen Planeten eröffnen Jing Xiang und Gina Haller im Bann dieser Dämonen noch einen Dialog-Ping-Pong, der Mitmenschen anhand ihrer Herkunft dingfest macht. „Wo kommst Du her?“ Herne lässt das Gegenüber nicht gelten. Bali? Pakistan? In der Utopie, von der dieses Stück erzählt, gehören diese sprachlichen Werkzeuge der Einordnung und Ausgrenzung nur noch zu den Ruinen einer vergangenen Zeit.
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