Einmal im Jahr präsentieren die Studierenden des Studiengangs „Physical Theatre“ der Folkwang Universität der Künste ihre Eigenkreationen in einem Bühnenprogramm. Diesmal waren die „Short Cuts“ als Programmpunkt in das Festival Full Spin eingegliedert. Rund zwei Stunden lang präsentierten die Folkwang-Studierenden im Essener Maschinenhaus auf dem Gelände der Zeche Carl ihre Stücke. Mit einer Länge von jeweils zehn bis 20 Minuten ging es im Schnelldurchgang durch die unterschiedlichsten Facetten der physischen Geschichten, die mit und über den Körper erzählt werden.
Vom pantomimischen „Du krachst mich entzücklich“ von Laura van Meurs und Milena Cestao Kolbowski und die akrobatische Performance „Twinkle“ von Nina Zorn, die sich auf hohen Stelzen in eine Furcht einflößende Zahnfee verwandelte, reichte die Palette bis hin zur dadaistisch beeinflussten Performance „Crow“ von Lucy Flournoy. Die US-Amerikanerin, die ihr Kurzstück unter anderem auch schon bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen aufgeführt hat, schlüpft darin in die Rolle einer Krähe, die sich selbst als sentimental bezeichnet. „This bird loves you“, rief sie auch dem Publikum im Maschinenhaus zu. Flournoys Text schlägt eine Brücke in die Zeit um 1918, in der die Schlachten des Ersten Weltkriegs geschlagen, aber auch kontroverse Diskussionen über moderne Kunst wie die von Marcel Duchamp geführt wurden. Die Krähe wirft die Frage auf, ob sich seitdem viel verändert hat und wirkt angesichts des Resultats ernüchtert.
Mit einer Mischung aus Showtanz- und Ballett-Elementen rundete Flournoy ihre überzeugende Performance ab, bei der sie auch den Gang ins Publikum und den Körperkontakt mit einzelnen Zuschauerinnen und Zuschauern nicht scheute. Mit enormer körperlicher Präsenz brachten auch Wayne Götz und Elina Brams Ritzau ihr Stück „Remnant“ auf die Bühne: Götz als Mann, der seine Vergangenheit vergessen möchte, die ihn aber in Gestalt der ganz in schwarz gekleideten Ritzau in Wortsinn nicht loslässt – was zu einer physischen Konfrontation zwischen den beiden Figuren führt. „Das Spiel ist vorbei“, hieß es dann zum Abschluss: Julia Berger hatte ihren Beitrag „My eyes are closed, sagte die Realität“ zunächst spielerisch-tänzerisch zu Big-Band-Klängen und mit goldenen Ballons eingeleitet. Darauf folgte ein nachdenklicher Monolog.
Das 5. Full Spin Festival in Essen ging am 6. Juli mit weiteren Aufführungen aus der Welt des Physical Theatre zu Ende. Unter anderem stand noch der „Oona Doherty Chaos Workshop“ und die Performance „Notorious Strumpet & Dangerous Girl“ der australischen Künstlerin Jess Love auf dem Programm.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Let’s get physical
Internationales Physical Theatre „Full Spin“ in Essen – Bühne 06/19
Schluchten verschimmelter Früchte
Liquid Loft eröffnet mit „Deep Dish“ das 4. Full Spin Festival in Essen – Bühne 07/17
Nicht definieren, machen
4. Int. Physical Theatre-Festival Full Spin – das Besondere 06/17
Wenn der Körper erzählt
Das FULL SPIN Festival im Maschinenhaus Essen – Theater Ruhr 06/15
Mann gegen Mann
„Im Dickicht der Städte“ am Theater Oberhausen – Prolog 03/21
Der überflüssige Mensch
Johan Simons „Iwanow“ im Livestream aus Bochum – Prolog 03/21
Tanz allüberall
Festival tanz nrw für Ende April geplant – Festival 03/21
Kitchen Stories
„Die Hausherren“ als Uraufführung im Livestream am PRT Bochum – Prolog 03/21
Polyandrie ist wohl auch keine Lösung
Premiere: „Ursprung der Liebe“ am Theater Oberhausen – Bühne 03/21
Höhlengleichnis
„Innen.Nacht“ als Premiere im Live-Stream am Theater Oberhausen – Prolog 03/21
Bruchstücke
Performance & Artisttalk zu „Home away from home“ in Essen – Prolog 02/21
Die Toten zum Verwesen freigegeben
„Antigone. Ein Requiem“ im Theater an der Ruhr in Mülheim – Bühne 02/21
Wider das Mechanistische
„LandScaping 0.1“ im Maschinenhaus in Essen – Bühne 02/21
Stimmungsvolles Fabulieren
„Shamrock!“ im Consol Theater in Gelsenkirchen – Bühne 02/21
Von Sophokles zu Frontex
„Antigone. Ein Requiem“ im Theater an der Ruhr in Mülheim – Bühne 02/21
Das langsame Ende eines schnellen Anfangs
„Squash“-Premiere in Bochum – Bühne 02/21
Zuhören, um die Zukunft zu retten
Radiomärchen zum Mitmachen: „Hurly*Burly“ von Paradeiser – Spezial 01/21
„Eine Leerstelle in der europäischen Demokratie“
Philipp Preuss über „Europa oder die Träume des Dritten Reichs“ in Mülheim – Premiere 12/20
Das Rascheln als Prinzip
Ulrich Greb inszeniert im Moerser Einkaufzentrum Kafkas „Process“ – Auftritt 12/20
„Eine neue Form von Stadtgesellschaft“
Anna Bründl über die Theaterallianz vier.ruhr – Interview 12/20
Rache für den Gedankenstrich
„Marquise von O…“ in der Essener Casa – Auftritt 11/20
Die Träume des Dritten Reichs
Lars von Triers „Europa“ in Mülheim – Bühne 11/20
Im emanzipatorischen Maschinenraum
Mette Ingvartsens „Moving in Concert“ auf Zollverein – Bühne 11/20
„Das Stück zur Stunde“
Jens Dornheim inszeniert in Dortmund „Der Reichsbürger“ – Premiere 11/20
Reißen am Korsett
„Bye, Bye Hochkultur“ von Familie Rangarang – Bühne 11/20