„Das ganze Leben ist ein Quiz / Und wir sind nur die Kandidaten“ – Hape Kerkeling, genau. Aber wer hätte das noch gewusst? Die merkwürdige Fragerei geht direkt weiter: Was ist die Tätigkeit, die ohne bewussten Zweck zum Vergnügen, zur Entspannung, aus Freude an ihr selbst und an ihrem Resultat ausgeübt wird? Na? Das Spielen natürlich! Das scheint ein universelles Bedürfnis zu sein. Oldschool mit Skatkarten oder das berühmte Würfeln am Tresen, von Tavla bis Roulette, egal.
Am Dortmunder Theater fragt Choreografin Magda Korsinsky, welche Spiele die Menschen im Alltag aus Spaß spielen – und welche, um durch ihr soziales Umfeld zu navigieren und ihre Identität zu konstruieren. Die Choreografin und Künstlerin tschechisch-eritreischer Herkunft hat sich dazu mit der Bedeutung des Gesellschaftsspiels für soziale Interaktion befasst. Soziale Rollen outen sich da bestimmt auch zwischen teurem Online-Poker und gepflegtem Bridge im Esszimmer, ganz zu schweigen vom einsamen Tarotkarten-Legen oder der allabendlichen Solo-Patience. Für alle Spieler gilt natürlich auch die allgemeine Spieltheorie, die beschreibt, wie mehrere Spieler miteinander interagieren können, wenn sie tatsächlich alle rational handeln – und das gegenseitig auch bewusst unterstellt wird.
Die allgemeine Spieltheorie könnte auch für die Uraufführung „Alle spielen. Leben als Gesellschaftsspiel“ im kleinen Studio des Theaters eine Bedeutung bekommen. Magda Korsinsky hat das Stück diskriminierungskritisch und generationsübergreifend entwickelt. Ihre Protagonisten spielen dokumentarisch-choreografisches Theater, beschäftigen sich mit dem harten Kampf ums Immer-Gewinnen, aber sicher auch mit Analogien zum realen Leben.
Die zeigen sich insbesondere beim Monopoly, wenn jüngere Spieler sich lieber das Falschgeld in die Hosentasche stopfen, als irgendwelche horrenden Mieten für Hotelanlagen zu bezahlen. Beim alternativen Provopoli hieß in den 1970ern die Frage noch: Wem gehört die Stadt? Ziel des Spieles war es, allen Spielern ein kritisches Denken über bestehende Machtverhältnisse zu vermitteln. Das wäre heute sicher wieder angebracht. Ach ja. Bayern hat das damals auf den Index gesetzt.
Alle spielen. Leben als Gesellschaftsspiel | 21. (UA), 30.3. | Schauspielhaus Dortmund, Studio | 0231 502 72 22
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