Ein Macher zwischen Rhein und Ruhr und inmitten vieler Netzwerke. Der Niederländer Edwin Jacobs ist seit einem Jahr Direktor des Dortmunder U und des Museums Ostwall im U, er gehört zum neuen Sprecherteam der RuhrKunstMuseen und dem Verbund der NRW-Kunstmuseen.
trailer: Herr Jacobs, ein Jahr als Chef im Brauereiturm ist um. Glauben Sie noch an die Kunst als Mittel der Veränderung?
Edwin Jacobs: Ich glaube, Kreativität steht immer an erster Stelle. Kunst ist ein Ergebnis von Kreativität und so entsteht Hoffnung, Innovation und Fortschritt. Nicht nur bei Künstlern, sondern bei allen, die Kreativität produzieren und betrachten und auch daraus könnte sich wiederum Kunst entwickeln.
Wird das Museum Ostwall als ein Kraftwerk bestehen bleiben?
Nein. Für mich steht der Museumsbereich im Kontext des Dortmunder U. Der wichtigste Punkt wird dabei sein, die bestehende Sammlung zu dynamisieren, sie nach außen aktiver darzustellen und die Aktualität mit eigenen Themen aufzugreifen. Der Begriff „Kraftwerk“ bezog sich auf die Aufgaben eines Museums als ein Einzelinstitut. Das Ostwall-Museum ist mehr ein Baustein in einem neuen Gesamtkontext und so eher eine öffentliche, partizipative Werkstätte, bei der die Sammlung natürlich der Ausgangspunkt ist.
Sie sind nicht nur Sprecher der Ruhrkunstmuseen geworden, sie vertreten auch die NRW Kunstmuseen nach außen. Wo sollen die Schnittmengen bei diesen unterschiedlichen Netzwerken herkommen?
Die Stärke der Ruhrkunstmuseen ist, dass sie als Ergebnis von 2010 und seitdem - neben den RuhrBühnen – und unter dem Überbau der Ruhrtourismus GmbH eine durchlaufende Linie haben, auf der bereits verschiedene Projekte realisiert wurden. Und auch in diesem Jahr produzieren die 17 unterschiedlichen Ruhrkunstmuseen mit „Kunst und Kohle“ ein gemeinsames Kunstprodukt in unterschiedlichen Ausstellungen. Ausgangspunkt ist die sehr tiefe Vernetzung mit der Geschichte dieser Region und das Ziel, zusammen mit den RuhrBühnen, Besucher im gesamten Ruhrgebiet mit Kunst und Kultur zu konfrontieren. Ich finde es sehr wichtig, dass man entdeckt, dass es hier nicht nur Industriegeschichte gibt.
Und in NRW?
Der Dachverband der NRW-Museen ist eher informell. Dort sind die Ruhrkunst-Museen ein eigenes Konglomerat, das aber auch vom Land deutlich unterstützt wird. Es sind für mich zwei einander sich verstärkende Elemente, insofern habe ich selbst natürlich auch eine Art Doppelrolle. Aber so wird das auch positioniert. Mit den NRW-Museen ist eine besonders aktuelle Frage über Ideen und Nöte verbunden, die das Ministerium in der nächsten Zeit klären will.
Aber Kunst hat doch im Rheinland einen ganz anderen Stellenwert?
Natürlich - und auch eine andere Geschichte. Für mich ist die Geschichte im Rheinland viel mehr verbunden mit der Geschichte individueller Sammler und individueller Sammlungen. Ich denke an das Museum Ludwig in Köln oder an das Museum Abteiberg in Mönchengladbach. Im Ruhrgebiet bezieht sich das vielmehr auf die Geschichte der Region und ist ein gesellschaftliches Bündnis. Mehrere Museen, auch das Museum Ostwall, haben sich nach dem zweiten Weltkrieg aus gesellschaftlicher Verantwortlichkeit entwickelt, um Kunst und Kultur unter die Menschen zu bringen. Alle Ruhrmuseen sind einen natürlichen Weg gegangen, der mit diesen Fragen verknüpft ist. Das ist der Unterschied zwischen dem Rheinland und dem Ruhrgebiet.
Warum für „Kunst und Kohle“ Jonathan Meese als Kurator? Wollen Sie tatsächlich die Diktatur der Kunst?
(lacht) Keine Angst, es gibt keine Zensur! Ich als Holländer, Kunstliebhaber und Literaturwissenschaftler habe mich immer sehr verbunden gefühlt mit der Entwicklung der Kunst und Kultur in Deutschland. Warum? Ich war immer begeistert von der Idee des starken Individuums. Ich meine natürlich nicht physisch stark, sondern geistig. Die deutsche Literatur- und Kunstgeschichte ist eigentlich eine Sammlung von starken Individuen. Die meisten von diesen starken Individuen sind interdisziplinär tätig. Sie gestalten nicht nur Kunst und entwickeln diese weiter, sie beziehen auch politisch Position und vertreten eine starke Meinung. Ich denke hier sofort an Beuys. Die Entwicklung der Grünen ohne Beuys ist nicht vorstellbar. Für mich ist auch Christoph Schlingensief wirklich ein Held. Und in dieser Linie ist für mich Meese eine wichtige Persönlichkeit. Auch er ist nicht nur in seinem Atelier tätig, sondern tritt auch oft in die Öffentlichkeit. Im letzten Sommer habe ich ihn gefragt: „Kurator, ist das etwas für dich?“ und er hat sofort Ja gesagt. Anfang des Jahres haben wir uns getroffen. Wir haben hier eine sehr starke Sammlung, darunter Konkrete Poesie, Konkrete Dichtkunst. Sofort hat er gesagt: „Das ist ja besonders interessant.“ Jetzt weiß ich, dass durch Meese ein oft schwieriger Kunstbereich, die Konkrete Poesie, einem allgemeinen Publikum mit einer ganz anderen Perspektive vermittelt werden könnte. Aber wir werden in den nächsten Jahren auch mit weiteren Künstlern und Künstlerinnen arbeiten, um die Sammlung immer wieder aus einer anderen Sicht darzustellen.
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