Durch ihre Ehe und die künstlerische Zusammenarbeit mit dem Ex-Beatle John Lennon wurde Yoko Ono weltbekannt. Auch die Performance „O no, ONO!“, die am 20.6. im Rahmen der BoBiennale in der Bakery im Kunstkiez Bärendorf stattfand, eröffnete Schauspielerin Maria Wolf mit einer Anspielung auf eine gemeinsame Aktion des berühmten Paares: Sie verteilte selbstklebende Buttons mit der Aufschrift „You are here“ – dem Motto einer Kunstausstellung, die Ono und Lennon 1968 in London gestaltet hatten.
In den folgenden rund 80 Minuten stand aber das Werk der japanisch-amerikanischen Künstlerin im Mittelpunkt, die sich schon lange vor ihrer ersten Begegnung mit Lennon einen Namen in der New Yorker Avantgarde-Szene gemacht hatte. Heute gilt die mittlerweile 86-jährige Yoko Ono als eine der Wegbereiterinnen der amerikanischen Fluxus-Bewegung. Als Musikerin und Komponistin gelangen ihr noch vor wenigen Jahren mehrere Nummer-1-Hits in den Dance-Charts in den USA. Neben ihren künstlerischen Projekten wird auch Onos Engagement als Menschenrechtlerin und Feministin viel beachtet. „Sie hat sehr frühzeitig Musikdarbietungen mit anderen Kunstformen kombiniert“, sagte Maria Wolf bei ihrer Einleitung zum Ono-Abend in der Bakery. Wichtig sei es zu verstehen, dass es bei Onos Werken „nicht nur um Blödsinn geht, sondern dass eine ganze Menge dahintersteckt.“ So habe die Konzeptkünstlerin etwa in ihrer „Sky Machine“, einem Automaten, der bei Münzeinwurf „ein Stück Himmel“ produziert, Kindheitserfahrungen verarbeitet. Während der Luftangriffe auf Tokio im Zweiten Weltkrieg sei sie mit ihrem Bruder oftmals über längere Zeiträume versteckt gewesen und habe sich das Tageslicht herbeigewünscht.
Die Grundlage für das Programm in der Bakery bildete das erstmals 1964 veröffentlichte und 1970 in einer erweiterten Fassung neu aufgelegte Ono-Buch „Grapefruit“. Darin gibt die Autorin den Leserinnen und Lesern Anweisungen, mit deren Hilfe sie selbst künstlerisch tätig werden und über sich nachdenken sollen. „Gemälde, die in deinem Kopf erschaffen werden“, so die Devise. Maria Wolf führte das Publikum durch die fantasievolle, mitunter skurrile Welt der Ono-Kunst und interpretierte die „Pieces“ genannten Kurztexte in abwechslungsreicher Form: Mit bedrohlich-tiefer Stimme beim „Blood Piece“ („Benutze dein Blut zum Malen“), sanft flüsternd bei den verschiedenen „Schneestücken“ oder auch augenzwinkernd beim „Thunfischbrötchenstück“, das im Wesentlichen dazu auffordert, sich tausend Sonnen am Himmel vorzustellen und danach das besagte Sandwich zu sich zu nehmen. Kongenial unterstützt wurde die Schauspielerin von dem Gitarristen Serge Corteyn, der die unterschiedlichen Stimmungen mit improvisierten Klängen untermalte, wobei die Palette von sphärischen Sounds über Bluesiges bis hin zu verzerrten Akkorden reichte.
Maria Wolf ließ es sich zudem nicht nehmen, an das Ono-Konzept „Bag Piece“ zu erinnern, dass die Künstlerin einst auch bei mehreren Auftritten mit John Lennon praktiziert hatte. Eine völlige Verhüllung der sprechenden Person soll demnach die Idee purer Kommunikation vermitteln – und so bewegte sich auch die Protagonistin des Abends in der Bakery über mehrere Minuten auf der Bühne in einem Sack. Dabei gelang es Wolf, den unterschwelligen Humor in Onos Kunst ebenso zu transportieren wie mit deren „Wahr oder Falsch“-Spiel, bei dem es unter anderem darum geht, ob die Banane schon vor dem Apfel existierte und warum dies in der Bibel verschwiegen wird. Zum Abschluss drückte die Schauspielerin allen Besucherinnen und Besuchern noch eine Karte mit einer wichtigen Instruktion im „Grapefruit“-Stil in die Hand: „Breathe“ („Atme“)!
BoBiennale | bis zum 23.6. | www.bobiennale.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Des Esels Freiheit
Late-Night-Show auf Bochums Bobiennale – Festival 06/23
Von Slam bis Dungeon-Synth
Vielfältiger Bobiennale-Ausklang – Festival 05/23
Dada-Gaga und die Apokalypse
Bobiennale: Kunstmix in Bochum-Hamme – Festival 05/23
Kunst kommt zum Publikum
bobiennale vom 11 bis 21. Mai in Bochum – Festival 05/23
Unter Blues-Polizisten
BoBiennale 2019: „Ruhr-Blues“ in Langendreer – Literatur 06/19
Apokalypse in der Zwiebackbäckerei
BoBiennale 2019: „Late Night“ im Kunstkiez Bärendorf – Kunst 06/19
Inspiration in einem alten Pferdestall
BoBiennale 2019: KünstlerInnenresidenz–Präsentation in der Halle 205 – Kunst 06/19
Bochum als Environment
Start der BoBiennale in den Rottstr5-Kunsthallen – Kunst 06/19
Galerie bis Gartenlaube
Die zweite bobiennale vom 13.6. bis 23.6. in Bochum – Kunst 05/19
Bochums freie Szene blüht
Ein Rückblick auf die erste BoBiennale – Spezial 06/17
Vom Ringen mit der eigenen Identität
Musikalische Autorenlesung aus „Yanko. Die Geschichte eines Roma“ am 16. Juni – Spezial 06/17
„Ein hartes Business“
BoBiennale: Streitgespräch in der Zeche 1 am 12.6. – Spezial 06/17
Ein zeitloser Albtraum
Franz Kafkas „Der Prozess“ im Bochumer Prinz Regent Theater – Prolog 12/24
Die Grenzen der Bewegung
„Danses Vagabondes“ von Louise Lecavalier in Düsseldorf – Tanz an der Ruhr 12/24
„Vergangenheit in die Zukunft übertragen“
Regisseur Benjamin Abel Meirhaeghe über „Give up die alten Geister“ in Bochum – Premiere 12/24
Freigelegte Urinstinkte
„Exposure“ auf PACT Zollverein in Essen – Prolog 11/24
Stimme gegen das Patriarchat
„Tabak“ am Essener Grillo-Theater – Prolog 11/24
Krieg und Identität
„Kim“ auf PACT Zollverein in Essen – Tanz an der Ruhr 11/24
Liebe ist immer für alle da
„Same Love“ am Theater Gütersloh – Prolog 11/24
„Ich glaube, Menschen sind alle Schwindelnde“
Regisseurin Shari Asha Crosson über „Schwindel“ am Theater Dortmund – Premiere 11/24
Mentale Grenzen überwinden
„Questions“ am Münsteraner Theater im Pumpenhaus – Prolog 10/24
Bollwerk für die Fantasie
Weihnachtstheater zwischen Rhein und Wupper – Prolog 10/24
Der Held im Schwarm
„Swimmy“ am Theater Oberhausen – Prolog 10/24
Torero und Testosteron
„Carmen“ am Aalto-Theater in Essen – Tanz an der Ruhr 10/24
„Was dieser Mozart gemacht hat, will ich auch machen“
Komponist Manfred Trojahn wird 75 Jahre alt – Interview 10/24