Fotos, Gelesenes und Musiziertes mit Hang zum Absurden und Wahren. Eine Woche lang war im Haus Fey in Bochum-Hamme die Ausstellung „Polaroid & digitale Fotos der Nachbarschaft und Anderswo. Ein futuristischer Rückblick“ zu sehen. Zur Finissage präsentierten das Duo Deux Swing Dada Musik und köstlichen Quatsch und Łukasz Łaski eine atomare Albtraumvision. Diese Finissage zeigte, wie die freie Kunst- und Kreativszene in Bochum ist: freundlich („Nehmt euch ein Bier – für die Bobiennale gebraut! – und ein Schnittchen. Und wenn ihr wollt, erzähle ich euch was zu meinen Bildern.“) und unprätentiös (Haus Fey ist eine urige Kneipe). Sie nimmt sich selbst nicht so ernst.
Mozart, Soundgarden, Star Trek
Wobei das Gitarrenduo Deux Swing Dada einen anderen Eindruck vermittelt. Vor Beginn der Veranstaltung sitzen Volker Wendland und Gregor Hengesbach konzentriert an ihren Gitarren und stimmen und proben und scheinen unantastbar. Dann spielen sie – und verziehen keine Miene. Profis! Hier sind musikalische Virtuosität und ernste Allegorien auf den Zustand unserer Gesellschaft zu erleben. Dann krabbeln die beiden Männer in Kakerlakenkostümen durch den Saal. Und sie spielen Mozarts 40. Sinfonie in fünffacher Lichtgeschwindigkeit, geben zwischendrin eine Fahrstuhlmusikversion von „Black Hole Sun“ zum Besten geben und die Star-Trek-Melodie als Interludium. Sie lachen nicht. Ein Teil des Publikums dafür umso lauter.
Ende der Welt
Die zweite Hälfte des Abends eröffnet der Autor Łukasz Łaski, indem er der Welt ein Ende setzt. So unaufgeregt wie drastisch schildert er eine Atombombenexplosion. Ein Spektakel sondergleichen, wenn man dem Erzähler glauben darf. Aber eigentlich geht uns die Welt draußen am Allerwertesten vorbei, denkt sich der Protagonist. Ein surreales Stück über die Ästhetik der absoluten Annihilation. Ein Kontrast zum restlichen Programm.
Absurd, real – oder umgekehrt
Andererseits passt es zu den Bildern der Ausstellung. Die Fotografien von Karin Pietzka und Somali Klein zeigen große und kleine Ausschnitte von der Ästhetik des Ruhrgebiets und anderer runtergerockter Orte. Hier ein Reifenlager, dort ein Lappen in einer Schüssel, hier die lachenden Schweine eines Metzgers, dort die Partymeute im von einem großen Metallrohr dominierten Konzertkeller. Und auf einmal bemerkt man, dass die reale Welt genauso absurd ist wie die Kunst des Abends.
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