Sie sitzen alle unter Palmen, an Klippen oder am Strand. Und sie haben alle ein Smartphone in der Hand. Die Figuren in Yvonne Dicketmüllers Stickereien lassen sich alle von der digitalen Ferne locken: Ob sie Chats checken oder Nachrichten verfolgen. Auf einem anderen Bild sitzt eine Frau mit Köpfhörern im Zug. Während hinter dem Fenster die Landschaft vorbeifliegt. Dicketmüllers kleine Ausstellung unter dem Schlagwort „woanders sein“ illustriert die Schwierigkeit, im Hier und Jetzt zu leben.
Neben ihren Bildern können sich BesucherInnen hier gleich mehrere Werke von Bochumer Künstlerinnen anschauen. Denn wie so viele Ateliers hat auch die „Halle 205 – freiRaum für Kunst & Kultur“ während der BoBiennale ihre Pforten geöffnet. Und Raum schreiben sie hier bewusst groß: Denn die Künstlerinnen um Anja Andreae wollten den ehemaligen Pferdestall der Brauerei Müser als Ort der Inspiration nutzen.
Ein Netzwerk von freien KünstlerInnen gab es im Bochumer Stadtteil, Schwerpunkt bei der diesjährigen BoBiennale, ohnehin schon. Nur die Räumlichkeiten fehlten oft noch. „Diese Hallen wollten wir Künstlern zur Verfügung stellen“, erzählt Andreae. Im Herzen von Langendreer stehen den Kreativen nun alleine in der unteren Ebene 400 Quadratmeter zur Verfügung. Eine Etage darüber geht es durch einen langen Flur entlang alter Wände in weitere Räume.
Den Ort nutzen alle KünstlerInnen unabhängig voneinander für ihre Projekte. Anja Andreae hat etwa Drähte, rostiges Metall oder Balken aus einem Dachstuhl gesammelt und anschließend zu Skulpturen verarbeitet, die neben Zeichnungen von ihr während der BoBiennale ausgestellt sind.
Christiane Schlieker-Erdmann kombiniert dagegen Papier- und Tuscharbeiten. Vor ihren Bildern hat sie transparentes Architektenpapier aufgehäuft. An diesem Mittwochnachmittag macht sie noch Fotos, prüft die Anordnung. Denn diese darf oder sollte aus ihrer Sicht auch variieren. „Das ist keine feste Struktur“, so Schlieker-Erdmann, die ihr Projekt auch als Ausdruck von Innerlichkeit begreift: „Das sind keine äußeren Sachen, diese Pole erlebe ich auch in mir.“ Hier, in einem alten Pferdestall, rückt die Künstlerin nun alle Elemente in die gewünschte Konstellation. „An einem anderen Ort erscheint es auch anders.“ Für die Künstlerinnen in der Halle 205 liegt die Inspiration in den Räumlichkeiten.
BoBiennale | bis zum 23.6. | www.bobiennale.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Unter Blues-Polizisten
BoBiennale 2019: „Ruhr-Blues“ in Langendreer – Literatur 06/19
Gemälde im Kopf mit Schnee und Thunfischbrötchen
BoBiennale 2019: „O no, ONO!“ im Kunstkiez Bärendorf – Bühne 06/19
Apokalypse in der Zwiebackbäckerei
BoBiennale 2019: „Late Night“ im Kunstkiez Bärendorf – Kunst 06/19
Bochum als Environment
Start der BoBiennale in den Rottstr5-Kunsthallen – Kunst 06/19
Galerie bis Gartenlaube
Die zweite bobiennale vom 13.6. bis 23.6. in Bochum – Kunst 05/19
Bochums freie Szene blüht
Ein Rückblick auf die erste BoBiennale – Spezial 06/17
Vom Ringen mit der eigenen Identität
Musikalische Autorenlesung aus „Yanko. Die Geschichte eines Roma“ am 16. Juni – Spezial 06/17
Spiel der Farben
Fritz Winter im Emil Schumacher Museum in Hagen – kunst & gut 12/20
„Eine fast dystopische Kraft“
Thomas Seelig über Fotografien von Soham Gupta im Museum Folkwang – Sammlung 12/20
Mitten im Leben
Hyperrealistische Skulpturen im Osthaus Museum Hagen – kunst & gut 11/20
Flächendeckende Piktogramme
Keith Haring in Essener Museum Folkwang – Kunstwandel 11/20
„Blick auf einen Jetztzustand, der sehr emotional ist“
Kuratorengespräch über „Empört Euch!“ im Düsseldorfer Kunstpalast – Sammlung 11/20
„Ein bisschen Disneyland, ein bisschen Dallas“
HMKV-Direktorin Dr. Inke Arns über die Ausstellung „Faţadă/Fassade“ – Sammlung 10/20
Das Zittern der Punkte
Kuno Gonschior in Recklinghausen – Kunstwandel 10/20
Die Räume der Bilder
Candida Höfer in der Neuen Galerie Gladbeck – kunst & gut 10/20
„Farbe zu sehen, sollte zu einer Erfahrung werden“
Kunsthallen-Direktor Dr. Hans-Jürgen Schwalm über Kuno Gonschior – Sammlung 09/20
Der Strand war nicht das Ende
The Cast Whale Project im Bochumer Museum – Kunstwandel 09/20
Bei sich
Bernhard Fuchs im Josef Albers Museum im Quadrat Bottrop – kunst & gut 09/20
Seltsame Bilder
„21.lettres“ im Museum Folkwang – Ruhrkunst 08/20
„Nach wie vor ein riesiges Problem“
Museumsleiter René Grohnert über Plakate gegen AIDS – Sammlung 08/20
Der Raum zum Greifen nah
Erich Reusch im Bochumer Museum unter Tage – Kunstwandel 08/20
Alte britische Schule
Lynn Chadwick im Lehmbruck Museum – kunst & gut 08/20
Der Mensch in Kapiteln
„Body & Soul“ im Museum Ostwall – Ruhrkunst 08/20
Biene Maja trifft Dragon Ball
Animes – japanische Zeichentrickfilme in Dortmund – Ruhrkunst 08/20
Flaneure vor Industriekulisse
Rudolf Holtappel in Oberhausen – Ruhrkunst 07/20