Gongwusu im Jahr 1995. Ein schmerzlich schreiender Bauer wird von zwei Männern gestützt – gerade hat er erfahren, dass sein Sohn bei einem Grubenunglück verstorben ist. Chinas Bergbausektor gilt mithin als der gefährlichste weltweit; Schätzungen zufolge sind es auch heute noch einige Tausend Menschen, die jährlich in Chinas Minen verunglücken.
Die Bilder des Fotojournalisten Lu Guang, die aktuell im Bergbaumuseum in der Reihe „Black Gold and China" zu sehen sind, strecken sich über 22 Jahre und dokumentieren eine der Schattenseiten Chinas rasanter Industrialisierung. Der Ort des Fotos im chinesischen Wuhai gehört zur autonomen Region Innere Mongolei, der größten Kohleregion weltweit. Laut Plänen der Regierung sollen hier noch weitere Bergbauten entstehen, alleine die Gegend würde dann so viel Kohle fördern wie ganz Deutschland.
Als Guang sich mit der immensen Umweltbelastung der Industrie konfrontiert sah, änderte er den Fokus seiner Arbeit. 2018 wurde der vielfach ausgezeichnete Fotograf, der unter anderem den deutschen Henri-Nannen-Preis gewann, in der Provinz Xinjang von chinesischen Sicherheitsbehörden festgenommen und erst knapp ein Jahr später entlassen.
Die drastischen Auswirkungen auf die Natur sind überall zu sehen. Soweit das Auge reicht ist der Boden der Hulun Buir Steppe von riesigen Kratern durchlöchert. Skurril wird es bei weiteren Landschaftsaufnahmen der Region, in der die lokalen Behörden Plastiknachbildungen diverser Tiere haben aufstellen lassen, um die Kuh- und Schafsherden zu ersetzen, die hier einst grasten. Im Helan-Gebirge Ningxias sind ausnahmsweise keine Werke oder Maschinen in Sicht – die hochwertige Anthrazitkohle wird hier noch per Hand gewaschen. Zu den Füßen der Arbeitenden läuft das schwarze Abwasser den Berg hinunter.
2006 wechselte Guang zu Farbbildern. Einen erkennbaren Bruch stellt das jedoch nicht dar, lassen doch viele der verstaubten Porträts und Landschaftsaufnahmen nicht allzu viel Farbenpracht zu. Doch genauso wie von der Umwelt erzählen Guangs Fotos die Geschichten der sonst unsichtbaren Menschen, die für den wirtschaftlichen Aufstieg schuften – Geschichten prekärer Arbeitsbedingungen, körperlicher wie seelischer Belastung. Noch 2010 zeigt eines der Bilder ein achtjähriges Mädchen bei der Arbeit am Kalkofen.
Wo gerade noch schmutzig-verstaubte Hände zu sehen waren, sieht man nun die leuchtenden Werbereklamen der Stadt, dazu Luxusautos und Prachtbauten. Es sind extreme Kontraste, die Chinas rasanter Aufstieg zur Weltmacht hervorbringt. Eins der Prachtbauten ist das Neue Museum in Ordos – ein gigantisches und architektonisch beeindruckendes Bauwerk, das allerdings im nur 30 Tausend Einwohner fassenden Ort völlig deplatziert wirkt. Der boomende Museumsbau zählt zu den Prestigeprojekten Chinas, das von 2011 bis 2013 so viel Zement verbrauchte wie die USA im gesamten 20. Jahrhundert. Abschließend die imposanten Bürogebäude Beijings – das heute vorherrschende Bild des Landes. Der Smog umhüllt die modernen Glasfassaden.
Black Gold and China: Fotografien von Lu Guang | bis 17.4. | Bergbaumuseum Bochum
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