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Jens Winterstein & Thomas Büchel
Foto: Matthias Jung

Let´s play master and servant

16. September 2021

Gustav Rueb inszeniert in Essen Samuel Becketts „Endspiel“ – Bühne 09/21

Die letzten zwei Schachfiguren auf einem Spielbrett wären immer Könige. Sie könnten sich nicht schlagen, sie könnten nie gewinnen, aber eben auch nicht verlieren. In einer ähnlichen Situation befinden sich Hamm und Clov, Becketts traurige Clowns, die auf den wenigen existenziellen Feldern die ihnen geblieben sind, herumirren, auf der Suche nach (nee, nicht Godot) sondern dem Sinn hinter dem Ganzen, dem Sinn ihrer Verlorenheit irgendwo im letzten Nirgendwo.

Spärlich, reduziert

Der Schweizer Gustav Rueb inszeniert in Essen Samuel Beckett, den irischen Vertreter des absurden Theaters, der wohl lieber Franzose gewesen wäre, aber dennoch 1969 in Stockholm den Nobelpreis für Literatur erhielt. Mehr Europa geht kaum und dennoch scheint der Kontinent in „Endspiel“ untergegangen zu sein, nur vier Lebewesen scheint es noch zu geben und ausgerechnet die spielen ein Spiel: „master and servant“. Da ist der blinde gelähmte Hamm, der im Rollstuhl sitzt, er ist der „master“ er steht im Mittelpunkt. Und da ist sein Diener Clov, der angeblich stinkt und nicht sitzen kann, der aber dennoch die Welt erklären soll.

Die Dramaturgie ist spärlich, die Choreografie reduziert, nur ab und an muss Clov die Bühne verlassen, einmal um nach dem Rechten in seiner Küche zu sehen, andererseits kündigt er so immer wieder an, den beleidigenden Herrn zu verlassen. Alles steuert auf ein diffuses Ende zu, die Dialoge, aber auch die Spieltheorie an sich, Essen wird knapp und nicht jede Existenz scheint gesichert. Zusätzlich stehen auf der Bühne zwei Mülltonnen, in denen Nagg und Nell, Hamms verhasste Eltern leben müssen, sie haben keine Beine mehr und tauchen in der Inszenierung nicht auf. Clov und Hamm leihen ihnen ihre Stimmen, denn in der extremen Isolation der Figuren ist ihnen einzig das Spiel geblieben.

Ungesicherte Existenz

Die Kunst einer Inszenierung dieser Beckettschen Reflexion von Rollenspiel im Theater, ist nicht nur die maximale Überflüssigkeit von Bühnenbild und Requisit, sondern auch die Überwindung des Unmöglichen, da gibt es keine Auflösung, das gibt es kein Finale, alle Möglichkeiten die im Laufe des Spiels angekündigt und diskutiert werden, bleiben aus, Lösungen werden verweigert. Auf nach Essen ins Grillo.

Endspiel | 25.(P), 26.9., 2.10., 30.10. je 19.00 Uhr | Grillo-Theater, Essen | 0201 812 22 00

PETER ORTMANN

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