Die letzten zwei Schachfiguren auf einem Spielbrett wären immer Könige. Sie könnten sich nicht schlagen, sie könnten nie gewinnen, aber eben auch nicht verlieren. In einer ähnlichen Situation befinden sich Hamm und Clov, Becketts traurige Clowns, die auf den wenigen existenziellen Feldern die ihnen geblieben sind, herumirren, auf der Suche nach (nee, nicht Godot) sondern dem Sinn hinter dem Ganzen, dem Sinn ihrer Verlorenheit irgendwo im letzten Nirgendwo.
Der Schweizer Gustav Rueb inszeniert in Essen Samuel Beckett, den irischen Vertreter des absurden Theaters, der wohl lieber Franzose gewesen wäre, aber dennoch 1969 in Stockholm den Nobelpreis für Literatur erhielt. Mehr Europa geht kaum und dennoch scheint der Kontinent in „Endspiel“ untergegangen zu sein, nur vier Lebewesen scheint es noch zu geben und ausgerechnet die spielen ein Spiel: „master and servant“. Da ist der blinde gelähmte Hamm, der im Rollstuhl sitzt, er ist der „master“ er steht im Mittelpunkt. Und da ist sein Diener Clov, der angeblich stinkt und nicht sitzen kann, der aber dennoch die Welt erklären soll.
Die Dramaturgie ist spärlich, die Choreografie reduziert, nur ab und an muss Clov die Bühne verlassen, einmal um nach dem Rechten in seiner Küche zu sehen, andererseits kündigt er so immer wieder an, den beleidigenden Herrn zu verlassen. Alles steuert auf ein diffuses Ende zu, die Dialoge, aber auch die Spieltheorie an sich, Essen wird knapp und nicht jede Existenz scheint gesichert. Zusätzlich stehen auf der Bühne zwei Mülltonnen, in denen Nagg und Nell, Hamms verhasste Eltern leben müssen, sie haben keine Beine mehr und tauchen in der Inszenierung nicht auf. Clov und Hamm leihen ihnen ihre Stimmen, denn in der extremen Isolation der Figuren ist ihnen einzig das Spiel geblieben.
Die Kunst einer Inszenierung dieser Beckettschen Reflexion von Rollenspiel im Theater, ist nicht nur die maximale Überflüssigkeit von Bühnenbild und Requisit, sondern auch die Überwindung des Unmöglichen, da gibt es keine Auflösung, das gibt es kein Finale, alle Möglichkeiten die im Laufe des Spiels angekündigt und diskutiert werden, bleiben aus, Lösungen werden verweigert. Auf nach Essen ins Grillo.
Endspiel | 25.(P), 26.9., 2.10., 30.10. je 19.00 Uhr | Grillo-Theater, Essen | 0201 812 22 00
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Glücklich bis ans Ende?
„Star-Crossed Lovers“ in Essen – Prolog 03/24
Genau die richtigen Gäste
„Steve Coleman and Five Elements“ am Grillo-Theater in Essen – Musik 02/24
„Der Mensch braucht Freiraum, um Sinnloses machen zu dürfen“
Rafael Sanchez über „Jeeps“ am Essener Grillo-Theater – Premiere 12/23
Kann eine KI Puccini übertrumpfen?
„Nessun dorma“ am Grillo-Theater in Essen – Prolog 11/23
Die Gretchengeschlechterfrage
„Doktormutter Faust“ am Grillo-Theater Essen – Bühne 09/23
Brecht im Discounter
„Der gute Mensch von Sezuan“ am Grillo-Theater in Essen – Theater Ruhr 10/23
Femizid als dramatischer Höhepunkt
„(Making) Woyzeck“ im Grillo Theater Essen – Prolog 10/23
Und immer dieser Lärm
„Lärm. Blindes Sehen. Blinde sehen!“ am Grillo-Theater – Prolog 10/22
Welt unter Glas für Brillenträger
„Die Wand (360°)“ von Thomas Krupa – Prolog 08/22
Mit Dogma auf einer Theaterbühne?
„Das Fest“ am Grillo Theater – Prolog 07/22
Das Nichtankommen der Beckmanns
Solidaritätsabend nach Motiven von Wolfgang Borchert in Essen – Bühne 05/22
Von Jahoo, einem Unsichtbaren und Prinzessinnen
Ruhr-Theater-Ostereier im April – Prolog 03/20
„Ich mache keine Witze über die Ampel“
Kabarettist Jürgen Becker über sein Programm „Deine Disco – Geschichte in Scheiben“ – Interview 04/24
„Zu uns gehört das Lernen von den Alten“
Intendant Olaf Kröck über die Ruhrfestspiele 2024 – Premiere 04/24
Verloren im Nebel
Das Duo Paula Rot im Foyer des Theaters Duisburg – Bühne 03/24
Ein Baum im Herzen
„Eschenliebe“ am Schauspielhaus Bochum – Prolog 03/24
Liebe und Gewalt
„Told by my Mother“ in Mülheimer a.d. Ruhr – Tanz an der Ruhr 03/24
Über die Familie
45. Duisburger Akzente – Festival 03/24
Sternfahrt zum Shoppen
„Einkaufsstadt, 4300“ von Trio ACE in Essen – Prolog 03/24
„Im Gefängnis sind alle gleich“
Regisseurin Katharina Birch über „Die Fledermaus“ an den Bochumer Kammerspielen – Premiere 03/24
Bakterien im Spa
„Ein Volksfeind“ am Theater Dortmund – Prolog 02/24
Vom Elvis zum Cowgirl
„The Legend of Georgia McBride“ am Theater Oberhausen – Prolog 02/24
„Es kommt zu Mutationen zwischen den Figuren“
Intendant Ulrich Greb inszeniert „Der Diener zweier Herren“ am Schlosstheater Moers – Premiere 02/24
Postapokalyptische Manege
„Essence“ von Urbanatix am Schauspielhaus Bochum – Bühne 02/24