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Kristine Funkhauser und Jeffery Krueger bleiben auch in der Horizontalen durchweg sittsam
Foto: Kühle

Mozart beim Nato-Einsatz

02. November 2010

Versoffen aber sittsam: „Così fan tutte” in Hagen

Am Aschermittwoch ist alles vorbei – und bei entsprechendem Alkoholpegel die Erinnerung daran auch angenehm vernebelt. Wohl deshalb greifen Fiordiligi und Dorabella zwischendurch immer mal wieder zur Flasche, wenn sie Fünfe gerade sein lassen, was die Treue zu ihren vermeintlich abwesenden Verlobten angeht. Und wohl deshalb lässt Regisseur Thomas Weber-Schallauer den Chor kurz vor dem Finale in bunten Karnevalskostümen auftreten: Così fan tutte – so machen‘s doch alle. Eher unvermittelt als zwangsläufig wirkt die Auflösung – ein Versuch, etwas Plausibilität in eine Handlung zu bringen, deren Schöpfer Lorenzo da Ponte sich herzlich wenig darum geschert hat. In seiner letzten gemeinsamen Oper mit Mozart tobte sich der Librettist so hemmungslos unrealistisch im Buffa-Genre aus, dass das Werk rund anderthalb Jahrhunderte lang als „albern, unmoralisch und überflüssig“ geschmäht wurde. Doch die Musik war einfach zu gut, um das Stück dauerhaft von der Bühne zu verbannen.
Weber-Schallauer, der erstmals seit zehn Jahren wieder eine „Così“ auf die Hagener Opernbühne bringt, verlegt die Handlung zwar in unsere heutige Zeit, strebt ansonsten aber nach keiner revolutionär neuen Deutung. Seine „Offiziere“ Guglielmo und Ferrando sind gut betuchte Schicki-Micki-Typen, ihre Verlobten die passenden Luxus-Püppchen. Statt in der gern bemühten Luxusvilla lässt er sie – der Abgeschiedenheit wegen – in einem etwas bescheideneren Wochenendhaus am Meer agieren.
Als Vorwand, plötzlich von dort zu verschwinden, dient den Offizieren irgendein UN- oder Nato-Einsatz im Nahen oder Mittleren Osten, wie die eingeblendeten Filmsequenzen auf einem Fernsehschirm suggerieren. Dazu passt dann auch die Verkleidung der beiden, wenn sie die Treue ihrer Zukünftigen auf die Probe stellen: Guglielmo und Ferrando treten als bärtige Revolutionäre mit PLO-Tüchern auf. Ein tieferer Sinn steckt ebenso wenig dahinter wie hinter den „Albaniern“ da Pontes. Der Ausweg über den Karneval schlägt komplikationsfrei die Brücke zwischen grotesker Maskerade und sexueller Untreue, die am Ende ohne Konsequenzen bleibt. Weber-Schallauer beweist Sinn für Details und subtile Gags. Zumindest zu Anfang macht die hohe Dichte an Einfällen richtig Spaß. Letztlich aber hält die Regie diese Feinarbeit nicht durch und bleibt angesichts des sexuell reichlich aufgeladenen Stoffs eher bieder und bemerkenswert zurückhaltend. Glücklicherweise macht die Besetzung kleinere Durststrecken der Inszenierung gut wett. Stefania Dovhan und Kristine Funkhauser als Fiordiligi und Dorabella sowie Raymond Ayers und Jeffery Krueger als Guglielmo und Ferrando strahlen stimmlich wie darstellerisch jugendlichen Witz und Elan aus, bringen aber auch die emotionalen Abgründe wie brennende Wut und bohrende Selbstzweifel glaubhaft über die Rampe. Vor allem aber passt das Kernensemble gut zusammen. Die Lorbeeren für ein ausgewogenes Klangbild auf und unter der Bühne gebühren Hagens Erstem Kapellmeister Bernhard Steiner.

Karsten Mark
privat
Karsten Mark ist freier Journalist und lebt im Ruhrgebiet. Kultur und besonders das Musiktheater gehören zu seinen Schwerpunkten.




Così fan tutte: 2./17.11./1./15.12., 19.30 Uhr I Theater Hagen
www.theater-hagen.de

Karsten Mark

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