Der Theaterherbst lebt auch von Absonderlichkeiten: Da rechtfertigen sich scheinbare Monster, philosophieren Puppen über Gott und die Welt, und drei Freunde streiten über Kunst ohne Inhalt und ihren monetären Wert. In Dortmund beginnt alles auf einem Jahrmarkt. In einer Freakshow entdeckt der Londoner Arzt Dr. Treves den jungen John Merrick, der seinen Lebensunterhalt als sogenannter „Elefantenmensch“ verdient – begafft von Jung und Alt. Doch sein wissenschaftliches Interesse ist geweckt. Treves beginnt, Merrick und dessen stark deformierten Kopf und Körper in seinem Hospital zu studieren. Heilen kann er ihn nicht, und so bleibt Merrick Gefangener seines abstoßenden Äußeren. Doch wer ist hier das Monster? „Der Elefantenmensch“beschreibt die menschliche Gesellschaft als Freakshow voller Abgründe, in der die Oberfläche dominiert und das Extreme abartig fasziniert. Bernard Pomerance griff für seinen 1979 mit dem Tony-Award ausgezeichneten Broadway-Erfolg auf die wahre Biographie des Engländers Joseph C. Merrick zurück, der an seltenen Erbkrankheiten litt und mit nur 27 Jahren starb. Natürlich ist das eine Geschichte, die Horrorfilmer Jörg Buttgereit sehr gern auf der Dortmunder Bühne installiert. Dort inszenierte er bereits das Double-Feature „Green Frankenstein und Sexmonster!“ sowie die sehr intensive True Crime-Tragödie „Kannibale und Liebe“.
In Oberhausen wird Bertolt Brecht zum ersten Mal in der Geschichte des Theaters mit dem Ensemble proben. Brecht? Ist der nicht schon ...? Klar. Doch Suse Wächter, eine der interessantesten und wichtigsten Puppenspielerinnen und -bauerinnen im deutschsprachigen Theater, macht diese Zeitreise möglich. Begleitet wird Brecht beim „Denken im Liegen“ von Elfriede Jelinek, Laotse und Pavarotti. Alle stammen aus ihrem wunderbaren Stück „Helden des 20. Jahrhundert“, eine Ahnengalerie von über siebzig berühmten Persönlichkeiten, die am Schluss die ganze Bühne übervölkern. In ihrem Oberhausener Abend beschäftigt sich Suse Wächter mit dem Lehrmeister Brecht, dem Übervater und Anders-Denker. Dabei wird das Ensemble das „Denken im Liegen“ praktizieren. In einem überdimensionalen Bett, das mit Flatscreen, Laptop und Stereoanlage ausgestattet ist, werden Brecht-Puppe und Schauspieler genüsslich über Kunst nachdenken.
Das tun im Bochumer Prinz Regent Theater auch die Freunde des erfolgreichen Dermatologen Serge. Denn der hat sich ein Kunstwerk gekauft: ein weißes Ölgemälde mit weißen Streifen, für 200.000 Francs. Marc findet das teure Ding ganz einfach „scheiße“ und fühlt sich durch den Kauf in seinen Wertvorstellungen, die er für gemeinsame hielt, angegriffen. Ein erbitterter Kampf entbrennt, in den Marc auch den gemeinsamen Freund Yvan hineinzuziehen versucht. Der aber mag sich nicht entscheiden müssen. Sybille Broll-Pape inszeniert Yasmina Rezas „Kunst“, den Komödienknaller der 1990er Jahre, der seine Autorin schlagartig weltweit berühmt machte und selbst in Havanna auf der Bühne zu sehen war.
„Der Elefantenmensch“ I Fr 29.11. 20 Uhr I Theater Dortmund I 0231 502 72 22
„Brecht“ I Fr 11.10. 19.30 Uhr I Theater Oberhausen I 0208 857 81 84
„Kunst“ I Mi 6.11. 20 Uhr I Prinz Regent Theater, Bochum I 0234 77 11 17
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