Eine junge Frau steht allein im Spot auf der Bühne. Sie bläst ein erbsengrünes Luftkissen auf und lässt sich damit viel Zeit. Als sie damit endlich fertig ist, beginnt sie mit dem zweiten. „B.A. Bitches“ beginnt nicht mit einem Knall, sondern skurril. Die ersten Minuten setzen den Rhythmus für die folgenden 70, sie sagen „Lasst euch überraschen. Lasst euch drauf ein! Und wenn nicht? Euer Problem!“ Die Inszenierung will nämlich nicht einfach nur gefallen, sondern hat echte Anliegen.
Nachdem der Luftkissen-Auftritt beendet und die Performerin (Fatima Talalini) abgegangen ist, tritt sie gleich darauf mit ihrer Kollegin (Lioba Sombetzki) wieder auf. Zu Tangoklängen, im Standardtanzschritt und in glitzernden Superheldinnen-Kostümen. Die Bühne ist leer, erst nach und nach füllt sie sich mit Gegenständen, die die Perfomerinnen im Laufe des Abends anschleppen, die sie benötigen um die vielen Themen des Abends zu verhandeln:
Bücher, Stoffbeutel, Brillen und ein Fahrrad – die Statussymbole eines jeden Studierenden. Wie gehetzt studiert man heute? Gibt es überhaupt noch Zeit für Diskussion und freie Gedanken im „propädeutischen Modul“, wenn man die nötigen 6 Creditpoints erreichen möchte?
Ein viel zu hohes Mikro für die eine, einen Schnurrbart zum Ankleben für die andere: Erniedrigende Vorsprechen an der Schauspielschule werden nachgestellt, Teile der Biographie von Talalini so nachgezeichnet. Dadurch kommt die Frage auf: Was mache ich eigentlich auf dieser Bühne? Was will ich erzählen? Warum liefere ich mich dem aus? Humorvoll und selbstironisch werden so ganz private Überlegungen in die Inszenierung eingearbeitet.
Ein aufblasbares Sofa, das in minutenlanger Arbeit aufgepumpt wird und einfach nicht fertig werden will. Harte Arbeit und für was? Um zwei Minuten bequem sitzen zu können, bis dann doch wieder die Luft raus geht: So wird die freie Theaterszene sinnbildlich dargestellt. Ein Manifest für ein armes Theater wird verlesen, mit lauter praktischen Hinweisen: Das Bühnenbild sollte z. B. in einen Kleinwagen passen. Um Gesundheitsproblemen vorzubeugen sollte man sich befreundeten, angehenden Yogalehrern und Physiotherapeuten als Versuchskaninchen anbieten – und allen dazugehörigen „*innen“ natürlich auch.
Donald Trump Maske, Penismütze, die pinke Mütze der „Women's Marchs“ und immer wieder Zitate aus „Anleitung für eine Revolution“ von Ex-Pussy Riot Mitglied Nadja Tolokonnikowa – Feminismus, politischer Aktivismus und vor allem die Frage, wie sich die beiden Performerinnen selbst in ihnen verorten: Das sind die Kernfragen des Abends. Denn wie Studentin, Performerin oder „einfach“ man selbst sein, ohne sich als politisches Wesen zu betrachten? Das steht für „Komplott Legal“ eindeutig nicht zur Debatte. Doch zu keinem Zeitpunkt wirkt der Abend verkopft oder verbissen. Im Gegenteil: Im Angesicht der komplexen Themen bewahrt er sich Tempo, Leichtigkeit und Humor.
„B.A. Bitches“ von „Komplott Legal" | Regie: Isabel Stahl | mit: Fatima Talalini und Lioba Sombetzki | Theater im Depot | weitere Termine: 24.2. und 9.3. je 20 Uhr
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