Regisseur und Schauspieler Jens Dornheim und sein Theater Glassbooth sind 15 Jahre auf der nordrhein-westfälischen Off-Szene unterwegs. 14 Stücke wurden erfolgreich inszeniert. Das 15. „Der Weibsteufel“ hat im Theater im Depot Premiere.
trailer: Herr Dornheim, 15 Jahre Off-Theaterszene mit Glassbooth. Warum tut man sich das eigentlich an?
Jens Dornheim: Nur aus Leidenschaft. Man muss für die Sache brennen. Und ich glaube, ich brenne immer noch und immer mehr für diese Sache, trotz aller Widrigkeiten, die es natürlich gibt. Das große Manko hängt wie immer an der Finanzierung. Da brauchen wir uns nichts vormachen, aber Jammern können wir alle gut. Das durchzuziehen über so eine lange Distanz trotz einiger sehr, sehr harter Strecken – darauf bin ich stolz, dass ich das durchgehalten habe.
Schielt man da nicht doch dann und wann auf die Theater, die dauerhaft mit öffentlichen Mitteln finanziert werden?
Ich hätte durchaus Interesse auch mal an einem Großen Haus – oder auch einem Kleinen Haus – eines städtischen Theaters zu inszenieren. An der Freien Szene – oder noch besser an meiner Theatergruppe Glassbooth – schätze ich aber, dass ich machen kann, was ich möchte. Da muss ich keine Kompromisse eingehen, was den Stoff angeht.
Irgendwie hat was „Künstlerisch-Masochistisches“ an sich. Früher haben das Überland- Wanderbühnen erfüllt.
Wenn damit Tourneen gemeint sind, die wir uns teilweise bis auf den Zahn antun, Stücke, die auch an nicht theateroriginären Orten spielen, für die man vor ein paar Jahren vielleicht sogar belächelt worden wär… ja, vielleicht steht das in dieser Tradition. So muss ich beim Bühnenbild immer bedenken in welchen Räumen das gezeigt wird. Kann ich das wirklich variabel überall hin transportieren? Das mache ich immer, weil wir kein eigenes Haus haben. Ich bin das einzige Bindeglied bei Glassbooth, wir mussten uns ja mit jeder Produktion quasi neu erfinden. Insofern habe ich auch mit so vielen Leuten gearbeitet und stehen in unserem Jubiläumsbuch an die 70 Personen.
Mobilität und Einschränkung muss aber nicht zwangsläufig zu einem künstlerisch schlechten Ergebnis führen?
Die Mobilität führt nicht zwangsläufig zu einem schlechteren Ergebnis. Man hat halt nicht auf allen Bühnen die gleichen Möglichkeiten. Ich kann zum Beispiel im Dortmunder Theater im Depot viel größere Bühnen aufbauen als im Magazin in Gladbeck. Aber auch dort habe ich eine Lösung gefunden, wie wir das gleiche Bühnenbild etwas kompakter zeigen können.
Wer bezahlt eigentlich dieses Häuflein aus Profis und Laien, die preiswert Kulturarbeit in der Fläche leisten?
Zum Glück mittlerweile auch das Land NRW, die Kommunen, die Städte und immer auch Sponsoren. „Der Weibsteufel“ ist eine Koproduktion mit dem Theater im Depot, was sicherlich auch geholfen hat. Ich bin sehr glücklich darüber, dass bei der Bezirksregierung mittlerweile erkannt worden ist, dass wir eine qualitativ hochwertige Arbeit machen, obwohl wir Literaturtheater zeigen – etwas, das unter freien Gruppen schon fast verpönt ist. Das macht heutzutage doch keiner mehr.
Zum Jubiläum mit „Der Weibsteufel“ österreichisches Volkstheater von Karl Schönherr? Das versteht im Pott doch keiner.
Das ist richtig. Das Stück war eine Idee der Hauptdarstellerin Alexandra Lowygina und mit der wollte ich unbedingt zusammenarbeiten. Dann habe ich das gelesen und war total gefesselt. Ich finde, es ist ein ziemlich emotionsgeladenes, finsteres Drama, etwas also, das zu Glassbooth durchaus passt. Nur eben in bayrischer Mundart verfasst. Ich habe also Ulrich Penquitt angerufen, mit dem ich auch zusammenarbeiten wollte und habe ihm gesagt, hier ist ein tolles Kammerspiel, das hat eine große Wucht, aber die werden uns bei der Bezirksregierung mit dem bayrischen Stück ohrfeigen und das zu Recht. Und so haben wir das transferiert, denn es spielt ja 1915 nur in einer Stube im Bayrischen Wald. Bei uns befinden wir uns jetzt 1925 im Ruhrgebiet. Da wurde auch geschmuggelt. Und wir machen aus dieser urbayrischen Frau eine russische Einwanderin und der ehemalige Jäger wird zum Soldat vom Freikorps aus der Zeit. Die Idee hat den Förderern sehr gut gefallen, weil wir die Region miteinbezogen haben. Aber es ist nicht komplett im Ruhrgebietsdialekt gesprochen, das hätte ich auch nicht gut gefunden.
15 Jahre sind vergangen, wann wird es Zeit selbst über 6 Gramm Caratillo nachzudenken?
Das ist eine gute Frage. Ich habe wohl nur einmal in den ganzen 15 Jahren kurz daran gedacht, nicht ans fantasierte Gift von Horst Bieneck, sondern die Brocken einfach hinzuschmeißen. Das war nach „Satansbraten“. Denn da ist damals einfach sehr, sehr viel schief gelaufen. Ich habe fälschlicherweise geglaubt, dass die Produktion ein Hit würde, eine andere Produktion wurde nicht finanziert, ich konnte keinen neuen Antrag schreiben und so fort. Da war wirklich der Moment, wo ich dachte, ich höre jetzt auf und mache was anderes. Dann habe ich „Das Produkt“ aus der Schublade gezogen und meine beiden Darsteller Dominik Hertrich und Alexandra Schlösser haben mir damals die Berufung zurückgegeben. Jetzt gibt es kein Zurück mehr.
„Der Weibsteufel“ | 26.(P), 27.10., 8., 9.11. je 20 Uhr | Theater im Depot Dortmund | 0231 982 23 36
Monströse Macht Mettigel
„Die Räuber.Live“ in Dortmund – Theater Ruhr 02/19
Pädagogisch wertvoll
„Shockheaded Peter“ im Theater im Depot – das Besondere 02/19
Im Dreieck wird geschwindelt
„Der Weibsteufel“ in Dortmund und Essen – Theater Ruhr 12/18
Das entzauberte Böse
Taboris „Mein Kampf“ in Dortmund – das Besondere 05/18
Deutschland mal zehn
„Deutschland Shorts“ bringt 10 Mini-Stücke im Depot und an der Rottstraße auf die Bühne – Theater 11/17
Hamlet in der Mausefalle
„Hamlet“-Parcours im Dortmunder Depot – Theater Ruhr 11/17
Die Einsamkeit wegtanzen
„Place to be: Shared“ am 5.3. im Theater im Depot, Dortmund – Bühne 03/17
„Der Fisch reagiert auf den Blinker am Haken“
Regisseur Philipp Becker über „Was glänzt“ in der Zeche Eins – Premiere 02/19
„Gibt es eigentlich noch Liebeskummer?“
Ulrich Greb inszeniert im Moerser Schlosstheater „Kabale und Liebe“ – Premiere 01/19
„Blick auf die Vereinsamung in der virtuellen Welt“
Frank Genser inszeniert in Dortmund „norway.today“ – Premiere 12/18
„Theater ist kein Massenmedium“
Johan Simons, Bochums neuer Intendant – Premiere 11/18
„Kunst muss vielstimmig und mehrdeutig sein“
Intendantin Stefanie Carp über das Programm der Ruhrtriennale – Premiere 09/18
„Ein Festival für Else Lasker-Schüler“
Der Wuppertaler Intendant Thomas Braus zur Spielzeit-Planung – Premiere 08/18
„Zwei Seelen in meiner Brust“
Olaf Kröck bereitet die Ruhrfestspiele 2019 vor – Premiere 07/18
„Ich inszeniere als Komponist“
Ari Benjamin Meyers über „Changing of the Guard“ in Bochum – Premiere 06/18
„Im Hier und Jetzt“
Haiko Pfost über das Impulse Theaterfestival – Premiere 05/18
„Das Ruhrgebiet als Utopie denken“
Intendant Frank Hoffmann über die Ruhrfestspiele Recklinghausen – Premiere 04/18
„Wir wollen andere Wege auf der Bühne gehen“
Gespräch zu „Sisyphos!“ im Bochumer Prinzregenttheater – Premiere 03/18
„Der ewige Konflikt zwischen Mensch und Maschine“
Nils Voges zur Inszenierung von „Metropolis“ im Theater Essen – Premiere 02/18
„Zeitalter der kollektiven Empörungsblasen“
Der Dortmunder Intendant Kay Voges über sein neues altes Theater – Premiere 01/18
„Manchmal ist ja auch gut ein Ketzer zu sein“
Dirk Laucke über „Die Freiheit in Abrede“ in Oberhausen – Premiere 12/17
„Offenheit heißt, dass wir auch offen sein müssen“
Schauspieler Thomas Braus leitet nun in Wuppertal das Schauspiel – Premiere 11/17
„Wir fahren schnell, aber nicht zu schnell“
Bochumer Intendant für ein Jahr: Olaf Kröck über die neue Spielzeit – Premiere 10/17
„Reaktionen sind das, wonach wir gieren“
Florian Fiedler ist der neue Intendant am Theater Oberhausen – Premiere 09/17
„Wir haben die Spielplan-Hoheit“
Hans Dreher erklärt in Bochum den „Rotten Summer“ 2017 – Premiere 08/17