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„Removing“ von Noé Soulier (FR)
Foto: Chiara Valle Vallomini

„Für alle eine schöne neue Erlebnissituation“

24. September 2015

Mehr Luft für die Performance: PACT Zollverein räumt seine Halle leer – Premiere 10/15

Nach den Freiluftaktivitäten des Sommers geht es für das Choreografische Zentrum auf der Zeche Zollverein in Essen wieder in die fast kulturhistorischen Innenräume der ehemaligen Kaue. Das Programm von PACT, jetzt auch offiziell ein „Ort des Fortschritts“, ist wie gewohnt umfangreich, diskursiv und spannend, aber es gibt Neuerungen in der technischen Raumgestaltung, die sowohl Künstlern als auch den Besuchern neue Perspektiven eröffnen soll.

trailer: Noé Soulier agiert als Erster in einem Raum ohne Zuschauertribüne. Bleibt diese Form mit stehenden Zuschauern?
Janne Terfrüchte: Um das vorwegzunehmen und vielleicht auch die Angst zu nehmen: Es wird auch immer Sitzplätze geben für die Zuschauer, die sitzen möchten. Wir haben uns einfach überlegt, die große Tribüne abzubauen, damit wir zunächst in einem leeren Bühnenraum agieren. Das ist tatsächlich das, was die Künstler vorfinden, aber natürlich planen sie das im Vorhinein auch. Es wird dann für jede Veranstaltung eine eigene Tribünen-Situation geben. Also für jedes Stück im Herbst und Winter wird umgeräumt. Es wird immer auch Sitzplätze geben, nur die werden eben nicht an der gewohnten Stelle sein. So kann man den Raum auch als Raum anders erleben.

Aber es wird auch Stücke geben, wo die Zuschauer tatsächlich nur stehen können?

Janne Terfrüchte

Foto: Dominik Lenze

Janne Terfrüchte, geboren in Essen, studierte Kommunikationswissenschaftlerin (Uni Münster), ist seit 2012 Assistentin der Künstlerischen Leitung bei PACT Zollverein. Zuvor war sie beim dpa-Themendienst, beim NRW Kultursekretariat, bei der RUHR.2010, im Kulturbüro der Universität Münster sowie freie Mitarbeiterein für den Künstler Rochus Aust.


Da ist zum Beispiel eine Performance von Philipp Gehmacher, die man auch als Galerie-Performance-Parcours bezeichnen könnte. Das ist einer der Künstler, der sich sehr gefreut hat, dass die Tribüne abgebaut wurde. Schon in den Vorgesprächen war es sein größter Wunsch, dass die Tribüne da nicht drin sein würde. Dann hat es durch Zufall gepasst. Er installiert eine Art begehbarer Ausstellung und da sind die Zuschauer natürlich eingeladen, mit ihm sozusagen zusammen über den Bühnenboden zu gehen. Aber wir haben bei PACT bei solchen Veranstaltungen auch immer so was wie Klappstühle, die man dann Leuten anbieten kann, die gerne sitzen möchten oder müssen. Das ist kein Problem und das ist uns auch wichtig, wir sorgen schon dafür, dass es für alle eine schöne, neue Erlebnissituation ist.

PACT ist nun offiziell ein „Ort des Fortschritts“ – mit Urkunde? Was ist der Mehrwert?
Für uns ist das tatsächlich ein sehr wichtiger Preis. Weil wir da zeigen konnten, was Kunst für die Gesamtgesellschaft leisten kann und wie die Kunst und ihre Arbeitsweisen in andere gesellschaftliche Bereiche hineinwirkt. Das versuchen wir hier mit unserer Arbeit täglich und dass das jetzt auch vom NRW Wirtschafts- und Städteministeriumgewürdigt wurde, ist eine wirklich gute Auszeichnung.

Was sind die Highlights im letzten Quartal?
Auf jeden Fall erst einmal unsere Eröffnungsfeier nach der ersten Vorstellung von Noé Soulierim Oktober. Dann würde ich die Show der Tänzer der Forsythe Company von Fabrice Mazliah hervorheben. Da die Forsythe Company selbst als solche ja nicht mehr besteht, ist das eine gute Gelegenheit, wieder tolle und interessante Tänzer zu sehen, die dem Haus auch sehr verbunden sind. Aber wir haben ja nicht nur das Bühnenprogramm, sondern auch unsere verschiedenen Formate: Da gibt es im Dezember ein sogenanntes Atelier Exceptionel, das ist eine Spezialausgabe unserer beliebten Plattform für Neue Kunst und Choreografie, wo wir alte Künstler-Freunde von PACT einladen, kleine Ausschnitte aus bestimmten Arbeiten von ihnen zu zeigen. Das eigentliche Format bleibt, aber es wird eben zurückgegriffen auf künstlerische Partner der letzten Jahre. Da ist das ganze Haus immer in Bewegung und der Besucher kann sich eigentlich auch alle Räume anschauen. Gerade um das ganze Haus einmal kennenzulernen ist das ein sehr schönes Format.

Wie wird denn da die Neue Kunst definiert?
Wir versuchen bei dem Atelier ja immer auch unfertige Arbeiten zu zeigen und bei der normalen Ausgabe dieser Reihe zeigen wir oft junge Künstler, die gerade etwas bekannter werden. Das wird in diesem Fall jetzt zwar anders sein, aber die Regel, dass es eine Art neuer Kunst ist, also Ausschnitte von aktuellen Positionen, die bleibt bestehen. Natürlich auch bei diesem Ausschnitthaften.

Im Advent ist auch noch ein Dynamo zu sehen?
Genau, die Junge Tanzplattform. Das ist eine schöne Partnerschaft mit dem Landesbüro Tanz, die wir jetzt zum dritten Mal als Gastgeber präsentieren dürfen. Da werden die Abschlussarbeiten aus den Schulen gezeigt. Bei dem Projekt gehen Choreografen in die Klassen und machen mit verschiedenen Gruppen kleine Tanz-Stücke, die werden dann hier an einem Abend, wo auch Eltern und Bekannte eingeladen werden, präsentiert. Für die ist das sehr schön, hier in einem richtigen Theater zu sein. Und die Tribüne ist nie so voll wie dann. Es ist wirklich beachtlich, wie schnell das alles ausverkauft ist. Und da ist immer eine total schöne Stimmung, da sind auch immer sehr viele Kinder im Haus und das macht sehr viel Spaß.

In der Selbstdarstellung werden auch die Sparten Performance, Theater, Medien, Bildende Kunst genannt, aber in der Außenwahrnehmung dominiert doch der zeitgenössische Tanz das Choreografische Zentrum? 
Jein. Ja, weil das auf jeden Fall immer unser Ausgangspunkt ist, über Bewegung nachzudenken. Und das ist auch ein Rückschluss auf den Bühnenrahmen: Wir versuchen wirklich die Zuschauer selbst in ihren Köpfen in Bewegung zu versetzen, indem wir sie „umarrangieren“. Was unsere Ausrichtung angeht, ist uns die dieses Disziplinübergreifende sehr wichtig. Bei den Projekten geht es uns immer darum, was bewegt eigentlich gerade die jungen Künstler, und am allermeisten interessieren uns da nicht unbedingt deren Performances, sondern die jeweiligen Positionen. Wer also auf welche Art mit welchen Themen umgeht, und da sind erst einmal alle gleichberechtigt. Das Haus ist entstanden, wie der Name Choreografisches Zentrum schon sagt, aus Tänzern, die das Haus für sich entdeckt haben, aber wir sind da sehr dran interessiert, das insgesamt mit der Kunstszene immer wieder neu zu verbinden.

Und die performativen Arbeiten, die aus der Bildenden Kunst kommen?
Das müssen nicht unbedingt Performances sein. Also wir haben im Rahmen des Ateliers auch Fotoausstellungen oder Videoarbeiten im Haus, das hat nicht immer direkt was mit Performance zu tun. Da gibt es dann auch Kooperationen zum Beispiel Fotografen mit Performern, aber das ist nicht unsere eigentliche Prämisse.

„Removing“ | Konzept & Choreografie:Noé Soulier | Do 8.10.(P), Fr 9.10.20 Uhr | PACT Zollverein, Essen | 0201 289 47 00

Interview: Peter Ortmann

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