Peter Rubel und Pedro Goncalves Crescenti kommen aus Mainz, wohnen in Essen und nennen ihre Band The Düsseldorf Düsterboys (ihr zweites Bandprojekt sind die poppig-elektronischeren International Music). Wie so vieles in ihren verrätselten Liedern erklären sie auch diese Namensgebung nicht. Gut, es sind Boys, und die Musik ist in dem Sinne düster, dass sie Molltöne enthält und wie unter einem Schleier Melancholie gespielt klingt. Aber Düsseldorf … wahrscheinlich klingt es einfach besser so. Unter diesem Melancholie-Schleier, wenn man ihn lüftet, verbergen sich Romantik, Witz, Kunst, Geschichte, Spiel: mit Bezügen und Gegensätzen, mit Worten, Gefühlen und Erinnerungen.
Verziert reduziert
Die Musik ist reduziert: zwei Stimmen, zwei Akustikgitarren. Hört man die Alben, vor allem ihr zweites von 2022, „Duo Duo“ (DD!), ist da allerdings ein ganz eigener Sound, der diese Reduktion immer wieder umkehrt in beinah symphonische, sanfte Erhabenheit. Alles schwebt – vor allem der Alltag.
Heimspiel in Essen. Als die beiden Freunde – Rubel im weißen Hippie-Kleid, Goncalves Crescenti in Longshirt und Jeans – am Sonntag auf die geschmackvoll ausgeleuchtete Holzbodenbühne im PACT auf Zollverein kommen und mit „Ab und zu“ von „Duo Duo“ beginnen, ist dieser Alltag vergessen bzw. verzaubert. Die beiden Stimmen umspielen sich zart und behutsam, schwellen immer wieder kraftvoll an. Das Gitarrenspiel – Rubel lakonisch strukturiert, Goncalves Crescenti mit den kunstvollen Verzierungen – erfüllt den Raum. Dazu spielen die beiden mit alten, ehedem modernen Synthesizern, einem Kofferradio und gelegentlichen Effekten aus der Regie.
Zart und kraftvoll
The DD verstehen sich darauf, einfache Grundmotive in Wort und Musik zu verkünsteln, unendlich zu variieren (wie beim 2019er „Kaffee aus der Küche“) und spielerisch zu verfremden. Das mag man eskapistisch nennen, aber es ist doch auch der utopische Gedanke, an die Verbundenheit von Schönheit und Spiel zu erinnern. „Der Mensch [...] ist nur da ganz Mensch, wo er spielt“, wie die berühmten Worte Friedrich Schillers lauten, „und er soll nur mit der Schönheit spielen.“ Ein wohltuendes, wunderschönes Konzert. Rubel ist „selig, irgendwie“.
Zwei Tage darauf höre ich morgens ihren Song „Lavendeltreppen“. „Lavendeltreppen führen zu deinem Haus“. Im Hausflur machen dann Handwerker Lärm, eine S-Bahn kommt nicht, Termine werden verpasst, es nieselt, der Fahrkartenkontrolleur. „Ist ganz banal und mir im Grunde auch egal / Meine Königin“.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?
Als unabhängiges und kostenloses Medium ohne paywall brauchen wir die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser. Wenn Sie unseren verantwortlichen Journalismus finanziell (einmalig oder monatlich) unterstützen möchten, klicken Sie bitte hier.

Körper und Krieg
„F*cking Future“ auf PACT Zollverein in Essen – Tanz an der Ruhr 10/25
Im Körper graben
„Every-body-knows…“ auf PACT Zollverein – Tanz an der Ruhr 08/25
Tanz als Protest
„Borda“ auf PACT Zollverein in Essen – Tanz an der Ruhr 06/25
Jenseits des männlichen Blicks
„Mother&Daughters“ auf PACT Zollverein in Essen – Tanz an der Ruhr 04/25
Baum der Heilung
„Umuko“ auf PACT Zollverein in Essen – Tanz an der Ruhr 03/25
Freigelegte Urinstinkte
„Exposure“ auf PACT Zollverein in Essen – Prolog 11/24
Lesen unterm Förderturm
Lit.Ruhr in mehreren Städten – Festival 09/24
Überleben, um zu sterben
Bund will bei der Freien Szene kürzen – Theater in NRW 09/24
Körperpolitik und Ekstase
„Tarab“ auf PACT Zollverein – Tanz an der Ruhr 07/24
Fortschritt ohne Imperialismus
„Libya“ auf PACT Zollverein – Tanz an der Ruhr 02/24
Vernetzung und Austausch
Kultur Digital Kongress auf PACT Zollverein – Gesellschaft 10/23
Die Trommel mal ganz vorne
„Schlagzeugmarathon“ in Essen – Improvisierte Musik in NRW 08/23
Mehr als ein Dorffest
Das Umland Festival 2025 in Dortmund – Musik 11/25
Vom Olymp in den Hades
Planet of Zeus in Bochums Trompete – Musik 11/25
„Liebe auf den ersten Blick“
Sebastian Lang-Lessing ist neuer Generalmusikdirektor am Theater Hagen – Interview 11/25
Fluxus trifft Free Jazz
Konzertreihe Klangbilder im Kunstmuseum Bochum – Musik 11/25
Zu den Wurzeln des Punk
11. Electri_City Conference in Düsseldorf – Musik 10/25
Alle Fenster auf
Brown Horse in der Haldern Pop Bar – Musik 10/25
Nicht mehr wegzudenken
Das Wuppertaler Jazzmeeting 2025 – Musik 10/25
Im Rausch der unerhörten Klänge
Beyond Dragons im Dortmunder Domicil – Musik 10/25
„Das Streichquartett in die Zukunft führen“
Der Geiger Daniel Stoll über die Residenz des Vision String Quartets in der Tonhalle Düsseldorf – Interview 10/25
Der Klang verwüsteter Hotelzimmer
4. Formosa Bierfest auf der Essener Zeche Carl – Musik 09/25
Zu Gast mit Gästen
Die WDR Big Band in der Wuppertaler Immanuelskirche – Musik 09/25
Bis das Regime gestürzt ist
Mina Richman im Bochumer Bahnhof Langendreer – Musik 09/25
Brachiale Schönheit
Gaye Su Akyol in Duisburg, Suzan Köcher's Suprafon in Dortmund – Musik 09/25