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LEAP beim akustischen Set im FZW Dortmund
Frank Schorneck

Eine echte Rockshow

01. Dezember 2025

Britische Alternative-Rocker LEAP im FZW – Musik 12/25

Um im heutigen Musikbusiness wahrgenommen zu werden und mit einem Album in die Charts zu kommen, muss man sich schon etwas einfallen lassen. Da gibt es diejenigen, die mit technischen Mitteln Streamingzugriffe manipulieren und es gibt diejenigen, die mit schlauen Marketingtricks dazu einladen, ein Album vorzubestellen oder virtuell zu reservieren. Immer öfter gehen Tourankündigung und Veröffentlichung Hand in Hand – und wer Zugang auf einen Presale-Code haben möchte, bestellt die Platte. Ob man dann im Vorverkauf wirklich an die Tickets von Billie Eilish oder Florence & The Machine kommt, steht dann auf einem anderen Blatt. Als Band, die nicht innerhalb von Minuten Arenen ausverkauft, muss man da schon etwas erfinderischer sein. LEAP, die fleißig tourenden Newcomer aus London, haben es mit der folgenden Taktik bis auf Platz 5 der Deutschen Rock-Charts geschafft – als komplett unabhängige Band ohne Plattenfirma im Rücken: Mit dem Kauf der deutschen Vinyl-Edition ihres Debüt-Albums bekam man nicht etwa eine Kaufoption für Tourtickets, sondern landete auf der Gästeliste bei einem von fünf exklusiven Events in kleineren Locations. Karten gab es gar nicht zu kaufen und wer nicht allein zum Gig gehen wollte, musste sich halt zwei Platten zulegen. Im Ruhrgebiet fiel die Wahl auf das Dortmunder FZW – nicht die Halle, sondern den kuscheligen Club nebenan.

Ohne Strom

Angekündigt ist ein Akustik-Set, ein Meet & Greet und Full-Album-Set. Entsprechend gespannt ist das Publikum, das den Club gut füllt (angesichts eines weiteren VIP-Events in Köln und eines ausverkauften regulären Tour-Konzerts im Düsseldorfer ZAKK beachtlich). Bevor es etwas auf die Ohren gibt, kommen die vier schon einmal aus dem Backstage und verteilen sich zwanglos im Publikum. Herzliche Umarmungen, Shake-Hands, Smalltalk, Selfies – alles, was das Fan-Herz höher schlagen lässt. Selbstverständlich werden auch die mitgebrachten Vinyls, Plakate und andere Erinnerungsstücke signiert. So ziemlich jede und jeder im Saal dürfte die Gelegenheit bekommen, mit mindestens einem der Musiker ein paar Worte zu wechseln. Nahbar und authentisch kommen die Engländer rüber, es ist, als ob man mit Freunden in der Kneipe säße. Fast könnte man vergessen, dass man ja für ein Konzert gekommen ist. Die Pflicht ruft, die vier verschwinden noch einmal kurz Backstage, bevor sie auf Barhockern auf der Bühne Platz nehmen. Einzig Schlagzeuger Hector Cottam wartet bereits hinter seinem Instrument. 

Im Dialog 

Jack Scott, Gründer und Sänger der Band kündigt ein paar Songs „stripped down“ an, man wolle etwas ganz anderes bieten als die typische LEAP-Show. Und darum verzichte er auch auf die obligatorische Sonnenbrille. Den Beginn macht die wundervolle Ballade „Sleepwalker“, die sich geradezu anbietet, ohne Strom gespielt zu werden. Zurückgenommen, harmonisch, akzentuiert spielt die Band diesen Song – so schön, dass das Publikum zunächst nur zögerlich in den Refrain einstimmt, als wenn man diesen Moment nicht stören wolle. Insgesamt beschränken sich LEAP hier auf die ruhigeren Stücke, die zum Teil auch nicht auf der Setlist der aktuellen Tour stehen. Zwischen den fünf Songs bekommt das Publikum die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Einige davon wurden schon vorab am Merch aufgeschrieben, aber auch spontane Wortmeldungen sind möglich. Und so wird locker über Lieblingssongs geplaudert oder auch den Lieblingssnack auf Tour. Gitarrist Adam Mason kann mit seinem aufgeschnappten Deutsch glänzen („Ich gebe meinen Senf dazu…“). „Burnt Matches“ gerät trotz der zurückgenommenen Instrumentierung hymnisch und „Energies“ stimmt schon sehr gut auf das folgende Album-Set ein – der einzige Song, der am heutigen Abend in unterschiedlichen Versionen gespielt wird. Danach ist das Publikum warmgesungen und bereit für den Moshpit.

Mit Strom

Es gibt dann aber doch eine kurze Pause, um die Bühne neu zu justieren und von den Barhockern zu befreien. Der Platz wird auch benötigt, wenn LEAP nun zeigen, welches Potential in ihrem ersten Longplayer  steckt. Nun trägt Jack Scott trägt zu Beginn die Sonnenbrille, ein Accessoire, das möglicherweise für Coolness stehen soll, bei ihm aber wirklich nicht benötigt wird. Sein Markenzeichen ist die Nähe zum Publikum. Ihm kommt entgegen, dass hier kein Graben vor der Bühne ist, so dass er ohne Mühe mit den vorderen Reihen interagieren kann – und natürlich lässt er es sich mehrmals nicht nehmen, in die Menge einzutauchen, um einen Moshpit zu initiieren. Das Konzert wird zur Party, LEAP schaffen die Kombination aus breitbeinigen Hardrock- und Grunge-Elementen mit gefühligen Emo-Anleihen, die ein außerordentlich diverses Publikum ansprechen. Bassist Declan Brown, bekennender Fan der Seattle-Rockszene, straft alle Leute Lügen, die behaupten, dass Bassisten meist introvertiert sind. Alle vier sind bestens aufgelegt und werden von den Fans frenetisch gefeiert.

Nach der Show

Nach dem Konzert lassen sich die Jungs recht viel Zeit, bevor sie sich wieder ins Publikum mischen, um gemeinsam mit den treuen Anhängern den Abend ausklingen lassen – mit Plaudern, Bier, Selfies und Signieren. Am Abend drauf zeigen sie übrigens im Düsseldorfer ZAKK, dass sie auch mühelos die größere Halle in den Griff bekommen. Das reguläre Tourset, das zum Beispiel mit „One Million Pieces“ bis zu den Anfängen zurückreicht, ist noch energetischer. Man verzichtet in Düsseldorf fast ganz auf die ruhigeren Stücke und bietet eine exzellente Rockshow. Da es sich um den Abschluss der Tour handelt, wird zum Abschluss die gesamte Crew auf die Bühne gebeten, die sich dann gemeinsam zu einem letzten großen Moshpit ins Getümmel stürzt.

Frank Schorneck

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