Architektur spielt eine entscheidende Rolle in der Arbeit von Radouan Mriziga. In gleich mehreren Werken befasste sich der in Brüssel lebende und aus Marrekesch stammende Choreograf mit europäischer und islamischer Bauweise. So z.B. im Solostück „55“ (2014), in dem ein Tänzer mit Kreide und Kreppband eine Rosette in mathematischer Präzision auf die Bühne anbringt, oder in der Performance „3600“ (2016), in der die Bühnenakteure mit Steinen eine kreisrunde Form konstruieren. Hier wird bereits klar, dass den 1985 geborenen Sohn eines Maurers nicht nur die Planung von Architektur, sondern auch ihre konkrete Umsetzung interessiert: Die Bewegungen, welche Handwerker vollziehen, haben ebenfalls Eingang in seine Stücke gefunden.
Nimmt man jetzt noch die Begeisterung für den Hip-Hop hinzu, sind die wesentlichen Elemente erwähnt, die Mriziga in seiner Bühnenästhetik vereint. Diese dürften auch in seiner neuen Performance „Libya“ wichtig werden, die durch Tanz, Rap und Gesang von der Kultur Libyens erzählt und dabei Musikstile aus dem Maghreb wie Ahwach, Tarab und Tuareg einbindet. Auf der Bühne von PACT Zollverein will Mriziga – der bei der Starchoreografin Anne Teresa De Keersmaeker studierte – eine Sicht auf die Geschichte dieses Landes präsentieren, die nicht von Eurozentrismus und Kolonialismus geprägt ist. Damit wendet sich der Marokkaner auch gegen die Tendenz, andere Kulturen durch Stereotype abzuwerten, wenn sie etwa als besonders urtümlich oder gar rückständig gesehen werden.
Mit nordafrikanischer Kultur hat sich Mriziga schon in früheren Werken befasst. Mit „Akal“ (auf Deutsch „Erde“) schloss er 2022 eine Trilogie ab, in der er sich mit Frauenfiguren aus der Mythologie der Imazighen beschäftigte. Lange galten die unter diesem Namen zusammengefassten indigenen Ethnien im westlichen Sprachraum abwertend als „Berber“ (also Barbaren).
Libya | 3.2. 20 Uhr, 4.2. 18 Uhr | PACT Zollverein | 0201 289 47 00
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