Für ein Festival, dass ästhetisches und innovatives Theater präsentieren will, gehört es dazu, dass sich das Format wandelt: Von den Genres bis zu den künstlerischen Herangehensweisen. Interdisziplinär, urbaner Raum, Digitalisierung – das sind nur ein paar der Schlagworte, die bei der Präsentation des Programms am 19. Juni in der Werkhalle des Union-Gewerbehofs fielen.
Seit 1985 lädt das deutschlandweit älteste off-Festival nun schon alle zwei Jahre dazu ein, die freie Szene Nordrhein-Westfalens zu erkunden. Vom 6. bis 16. September wird es auch in diesem Jahr experimentelle Produktionen aus Oper, Performance, Zirkus, Tanz, Theater oder Musik geben. Traditionell sind die Favoriten an keinem Veranstaltungsort zuhause. In diesem Jahr werden viele Produktionen in der Dortmunder Nordstadt präsentiert. So fungiert das Depot, eine ehemalige Straßenbahnwerkstatt, als Festivalzentrum. Weitere Locations sind die alte Schmiede in Dortmund-Huckarde, das Dietrich-Keuning-Haus oder der Club Rekorder.
In den letzten Jahren konnten sich die VeranstalterInnen weiter vernetzten. Erstmals wird es in diesem Jahr eine Kooperation mit der Ruhrtriennale geben. So entstand im gemeinsamen Dialog die Idee, ein Stadtprojekt von Schorsch Kamerun im Dortmunder Norden anzusiedeln. Gemeinsam mit Katja Eichbaum entwickelte Kamerun die „Nordstadt Phantasien“ (ab 23. August), ein Kiez-Kaleidokop, das mit Live-Soundtracks aus Musik und Text zum Parcour einlädt und den städtischen Wandel einem kritischen Gedankenspiel unterzieht: Wie schnell kann sich ein „Problemquartier“ zum hippen Kiez verwandeln? Wozu führen die kreativen Projekte von KünstlerInnen vor Ort?
In Kooperation mit dem NRW Kultursekretariat soll zudem die Digitale Performance gefördert werden. Dafür werden zwischen Juni und August 2018 acht Residenzen im digitalen Raum vergeben. Begleitet wird das durch das Onlinemagazin SPACE.
In Zusammenarbeit mit den Urbanisten und dem Kreativ Quartier Ruhr ist das Projekt „Work at Werk Union“ entstanden. Von Juni bis September erforschen vier KünstlerInnen-Gruppen die Geschichte aber auch die utopischen Gehalte des einstigen Hoesch-Spundwand-Geländes im Dortmunder Unionviertel. Hintergrund der künstlerischen Recherchen sind die Pläne des Investors Wolfgang Thelen. Trotz Protesten von BürgerInnen plant der Investor, im einstigen ArbeiterInnenort ein neues Stadtviertel zu errichten, wie Svenja Noltemeier von den Urbanisten erläutert: „In diese Gemengelage mischen wir uns jetzt ein.“
Insgesamt wählten die künstlerischen LeiterInnen Fanti Baum und Olivia Ebert aus 234 Produktionen ein Programm aus 18 künstlerischen Arbeiten aus. Darunter etwa „Fin de Mission / Ohne Auftrag leben“ (6.9., Depot) Zusammen mit dem kamerunischen Theater OTHNI lassen kainkollektiv ein „Gedächtnis der Sklaverei“ entstehen. Mit unterschiedlichen Musiktraditionen konfrontieren sie die bürgerliche Tradition der europäischen Oper mit der eigenen Gewaltgeschichte des Kontinents in Afrika. So wird auch das klassische Format der Oper radikal hinterfragt.
Das volle Favoriten-Programm gibt's hier: www.favoriten-festival.de/programm
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?
Als unabhängiges und kostenloses Medium ohne paywall brauchen wir die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser. Wenn Sie unseren verantwortlichen Journalismus finanziell (einmalig oder monatlich) unterstützen möchten, klicken Sie bitte hier.
Künstlerisches (Ver-)Lernen
Das Favoriten Festival 2024 in Dortmund – Prolog 08/24
Spukende Cyborgs
„Revenants“ beim Favoriten Festival in Dortmund – Bühne 09/22
„Fabulieren, was möglich sein könnte“
Anne Mahlow über das Dortmunder Favoriten Festival – Premiere 08/22
Die Hexenjäger aus der Zukunft
Ursina Tossis Performance „Witches“ in Dortmund – Festival 09/20
Schlafen, streiken, kanakisieren
Favoriten Festival in Dortmund – Festival 09/20
Verhexte Arbeitswelt
Favoriten Festival in Dortmund – Festival 09/20
Das Glück der Erwerbstätigkeit
Das 35. Theaterfestival Favoriten in Dortmund – Prolog 07/20
Langeweile mit der eigenen Stimme
„Voicing Pieces“ von Begüm Erciyas bei den Favoriten 2018 – Bühne 09/18
Positionen beziehen
Favoriten-Festival in Dortmund und Bochum – Bühne 09/18
Die Provokation mit dem Boden
„tchǎʼ . sol . Boden“ am 19.8. im Union Gewerbehof, Dortmund – Bühne 08/18
„Arbeiten, die nur in der Freien Szene hätten entstehen können“
Fanti Baum und Olivia Ebert über fav18 – Performance 08/18
Das Vorfeld wird verteidigt
Prolog des Dortmunder Favoriten-Festivals – das Besondere 06/18
Ein Fake für den Nobelpreis
„Der Fall McNeal“ in Düsseldorf – Prolog 08/25
Im Körper graben
„Every-body-knows…“ auf PACT Zollverein – Tanz an der Ruhr 08/25
Supernova oder Weltfrieden
„GenZ, weine nicht“ bei der Jungen Triennale in Bochum – Prolog 08/25
„Wir brauchen sichere, offene Orte“
Ab der Spielzeit 2025/26 leitet Dramaturgin Sabine Reich das Prinz Regent Theater in Bochum – Premiere 08/25
Schnöde Technik oder Magie?
„Oracle“ bei der Ruhrtriennale – Prolog 07/25
„Eine Welt, die aus den Fugen ist“
Kulturamtsleiter Benjamin Reissenberger über das Festival Shakespeare Inside Out in Neuss – Premiere 07/25
Der verhüllte Picasso
„Lamentos“ am Opernhaus Dortmund – Tanz an der Ruhr 07/25
Von Shakespeare bis Biene Maja
Sommertheater in NRW – Prolog 06/25
Tanz als Protest
„Borda“ auf PACT Zollverein in Essen – Tanz an der Ruhr 06/25
„Das Publikum ist verjüngt und vielfältig“
Opernintendant Heribert Germeshausen zum Wagner-Kosmos in Dortmund – Interview 06/25
„Da werden auch die großen Fragen der Welt gestellt“
Kirstin Hess vom Jungen Schauspiel Düsseldorf über das 41. Westwind Festival – Premiere 06/25
Morgenröte hinter KI-Clouds
Das Impulse Festival 2025 in Mülheim, Köln und Düsseldorf – Prolog 05/25
Das Vermächtnis bewahren
Eröffnung des Bochumer Fritz Bauer Forums – Bühne 05/25