Die Ruhrfestspiele und die Ruhrtriennale, die beiden kulturellen Aushängeschilder der Region, sind in diesem Jahr ausgefallen. Und so eröffnet das Festival Favoriten die nächste Theatersaison. Zwanzig Projekte präsentieren die internationalen oder lokalen Künstler:innen in den Dortmunder Spielorten, darunter die Werkhalle im Union Gewerbehof oder das Depot in der Nordstadt.
Dort stellten die beiden künstlerischen Leiterinnen Olivia Ebert und Fanti Baum nun das Festivalprogramm vor. Außerdem beteiligten sich die Künstlerin Emilia Hagelganz (vom Transnationalen Ensemble Labsa aus Dortmund), der Theatermacher David Guy Kono sowie die Kollektive Hartmannmueller und Swoosh Lieu am Pressegespräch. Dass sie ihre Projekte vorstellen können, schien vor wenigen Monaten noch ungewiss. Denn besonders die freie Szene wurde hart von der pandemiebedingten Absage von Kulturveranstaltungen getroffen.
Umso interessanter erweist sich das Programm-Motto: While we are working. Denn das Festival für die freien, darstellenden Künste widmet sich den Facetten rund um das Thema Arbeit und Nicht-Arbeit. Dazu gehören auch Fragen von Solidarität oder Streik, Sorgearbeit oder Patriarchat. Kurz: Alle Dimensionen, die genauso jenseits der Lohntätigkeit liegen, wie Olivia Ebert betont: „Damit sind auch gesellschaftliche Kämpfe und Emanzipationsbewegungen angesprochen.“
Gesellschaftliche Kämpfe
Geradezu unsichtbar erscheint die Arbeit oft im Theater. Denn gerade die Bühnentechnik muss in der Regel unbemerkt im Hintergrund funktionieren, während die Darstellung oder Performance im Fokus steht. Das queerfeministische Performance-Kollektiv Swoosh Lieu hat sich daher eine einfache wie spannende Ausgangsfrage überlegt, wie sie beim Pressegespräch erzählen: „Was passiert, wenn wir das umdrehen und unsere Arbeit in den Mittelpunkt rücken?“ Das Ergebnis ist die Perfomance „Everything but Solo“, mit der das Festival eröffnet wird (Do, 10.9.).
Simon Hartmann und Daniel Ernesto Müller, seit 2011 gemeinsam als Duo Hartmannmueller unterwegs, widmeten sich dagegen einem biblischen Motiv der Ausbeutung: „Mache dir die Welt untertan!“. Ihre Performance „Die Schöpfung“ zeigt auf der Bühne ein Laboratorium, das nach einem anderen Umgang mit Natur und Gesellschaft sucht. Eine Alternative, die Umwelt zu schonen, könnte im Faulenzen bestehen. Das Ensemble Labsa erprobt, wie es sein könnte, einfach liegen zu bleiben. „Unsere Idee war, den Schlaf auf seine Widerstandsformen zu untersuchen“, erzählt Emilia Hagelganz.
Faulenzen als Umweltschutz
In Kafkas „Verwandlung“ steht die Figur Gregor Samsa zwar auf, jedoch verspätet; der Angestellte erwacht bekanntlich als Käfer im Bett. Der Choreograph David Guy Kono überträgt den Klassiker der Weltliteratur auf gegenwärtige Situationen. Schließlich wird ja ständig laut nach Flexibilität oder Integration gerufen. So dreht sich Konos Tanz-Projekt „Metamorphose“ um Motive wie Verwandlung oder Ausgrenzung.
Dass Ausschluss und Ausgrenzung zum Alltag in einer vermeintlich weißen Mehrheitsgesellschaft gehört, das spüren noch immer viele Menschen. Dabei tummeln sich in Orten wie etwa der Dortmunder Nordstadt Menschen unterschiedlicher Nationalitäten, Kulturen oder Sozialisationen – in friedlicher Koexistenz. Tunay Önder, Initiatorin des Projekts migrantenstadl sowie Favoriten-Gastkuratorin, organisiert daher das Format „Maşallah Dortmund“. Vier Tage werden Diskussionen, Lesungen oder Filmvorstellungen veranstaltet. Tunay Önder möchte mit einer „Kanakisierung“ der Kultur das Migrationsprinzip umdrehen. Dortmund und das Ruhrgebiet erscheinen dafür prädestiniert, wie die Münchnerin per Videobotschaft verriet: „Das ist für mich eine Augenweide. Da fühle ich mich sicher und gut aufgehoben.“
Favoriten Festival | 10. bis 20.9. | Dortmund, diverse Orte | www.favoriten-festival.de
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